Godmeat (von Martin Cahill)

Die gottähnlichen Leeren Wesen beauftragen die Jägerin Spear die legendären Bestien der Wilden Welt zu erlegen. Hark wird im Anschluss damit beauftragt, diese Wächter über Land und Wasser in schmackhafte Gerichte zu verwandeln. Durch diese Mahlzeiten saugen die Leeren Wesen die Kräfte der Bestien auf und nähern sich dem Gottzustand. In diesem wollen sie Rache daran nehmen, dass die Wilde Welt sie einst verstoßen hat, indem sie die Welt auslöschen. Hark fühlt sich ebenfalls wegen seiner gescheiterten Karriere als Koch von der Welt verstoßen und unterstützt den Prozess daher. Nach dem letzten Mahl erfährt er jedoch, dass er nicht etwa wegen seiner Kochkünste ausgewählt wurde, sondern weil sein Seelenleben so leer und morallos ist, wie das der Leeren Wesen. In einem letzten Akt der Rebellion, die Gottwerdung der brutalen Wesen kann schließlich nicht mehr aufgehoben werden, lässt er sich von Spear die Augen entfernen und kocht diese. Die Leeren Wesen entwickeln daher zum ersten Mal Augen und schauen geringfügig anders auf die Welt, deren Vernichtung sie bereits beschlossen haben.

„Godmeat“ beschreibt die Zubereitung der verschiedenen Gerichte auf ausgepsrochen beklemmende Art. Die Geschichte erschafft eine ergreifende Spannung zwischen dem brutalen Tot der alten Götter und dem apokalyptischen Aufstieg der neuen Götter. Es wird rasch deutlich, dass jeder Festschmaus die Herrschaft die brutalen und rachsüchtigen neuen Götter wahrscheinlicher macht. Cahill gelingt es aber auch, Trauer über den Tod einzigartiger Lebewesen mit weitaus weniger abscheulicher Motivation zu erzeugen. Und zusätzlich zu diesem Gemisch schauriger Emotionen ist kaum möglich, kein Hungergefühl durch Cahils detaillierter Beschreibung jedes Mahls zu empfinden. Dem Leser geht es daher wie Hark: Er weiß, dass jedes Mahl eine unverzeihliche Sünde ist und kann sich dennoch selbst in der Rolle des Verzehrers einer solchen Mahlzeit sehen.

Die neuen Götter können für die Menschheit als Ganzes stehen, die die Natur der Erde geradezu verschlingt. Ohne Augen für das Wesentliche entzieht sie sich ihrer eigenen Lebensgrundlage. Denn haben die neuen Götter die Welt erst einmal in ihrem Eroberungsdrang zerstört, nützen ihre göttlichen Fähigkeiten nichts mehr. Diese Fähigkeiten sind schließlich nur besonders, solange sie die Leeren Wesen von anderen Wesen ohne diese Fähigkeiten abgrenzen. Die Handlung könnte aber auch für die vielen Menschen stehen, die angesichts verschiedener Bedrohungen und Ängste bereit sind, Macht freiwillig an autoritäre und populistische Verführer abzugeben. Spear und Hark fühlen sich beide von ihrer Umwelt verraten und sind daher bereit, den Zerstörern ihrer Welt zuzuarbeiten. „Godmeat“ illustriert daher auch beeindruckend, wie einzelne Menschen durch Verletzungen und Erfahrungen des Scheiterns zur Selbstabdankung bereit sind.

Die Auflösung ist generell gelungen. Durch Harks Augen sehen die neuen Götter die Welt anders, möglicherweise lassen sie gar von einer völligen Zerstörung ab. Auch das kennt man: die erfolgreichste Strategie für einen Sinneswandel ist immer ein Perspektivwechsel. Allerdings ist Harks plötzliche Wandlung nicht ganz überzeugend. Es gibt früh in der Geschichte eine Szene, in der er ein junges Mädchen beim Spielen beobachtet und so etwas wie Reue über seine Taten empfindet. Letztlich ist es aber wieder nur verletzter Stolz – die neuen Götter haben ihn nicht wegen seiner Kochkünste angeheuert – der ihn zum Widerstand anstachelt. Dieser radikale Wandel vom Handlanger der Weltzerstörung zu ihrem Verteidiger erscheint in dieser ansonsten sehr stimmungsvollen, gedankananregenden und spannenden Kurzgeschichte etwas zu plötzlich.

Die Kurzgeschichte „Godmeat“ von Martin Cahill ist 2018 im „Lightspeed“-Magazin erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2019“, herausgegeben von Carmen Maria Machado und John Joseph Adam.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert