Pour qui tu te prends? (von Delaf und Dubuc / Les Nombrils Band 1)

Karine, Vicky und Jenny sind beste Freundinnen. Die gesamte Schule hält Vicky und Jenny für die schönsten Mädchen, Karine wiederum für die unattraktivste. Noch stärker als ihre Mitschüler glauben Vicky und Jenny an diese These und lassen dies Karine regelmäßig wissen. Und obwohl ihre schulischen Leistungen sehr zu wünschen übrig lassen, sind Vicky und Jenny die intelligentere und vor allem einfühlsamere Karine auszunutzen, egal ob es um Hausaufgaben oder Menschenkenntnis geht. Wie weit werden die beiden gehen können, bis Karine ihnen die Freundschaft kündigt?

Der Comic besteht hauptsächlich aus einseitigen Gags, die Serie wurde in verschiedenen Magazinen in loser Folge veröffentlicht. Bereits die ersten Panels führen die Charaktere und ihre Konflikte sehr gut ein. Dabei muss man in dieser Serie Stereotypen aushalten können. Gleich auf der ersten Seite illustrieren und zelebrieren Vicky und Jenny ihre Dummheit, während Karine in den meisten Situation die Stimme der Vernunft ist. Die Autoren wiederum zelebrieren diese Vorurteile nicht. Stattdessen nutzen sie die Ausgangslage, um viele bekannte und unbekannte emotionale Momente zu erzeugen. Sie zeigen auf, wie auch Vicky und Jenny auf einmal beachtliche Kreativität entwickeln und Wissen ansammeln, wenn es darum geht, ihre Ziele zu erreichen. Es ist ganz klar, dass Karine trotz ihres rücksichtsvollen und netten Naturells und all ihrem Wissen keinen Weg weiß, wie sie in der brutalen Teenagerwelt ohne regelmäßige Demütigungen auskommen soll – und dass sie angesichts der teilweise vorgeheuchelten Freundschaft Vicky und Jennys einige dieser Demütigungen nicht einmal erkennt.

Dadurch verarbeitet „Pour qui tu te prends“ eine atemraubende Anzahl an Themen auf gleichzeitig berührende und komische Art. Sei es die Übersexualisierung Jugendlicher, Mobbin in seinen verschiedensten Formen oder aber die Suche nach Halt und Liebe, alles wird in vielfältigen Widersprüchen in den Panels in Witze verwandelt. Dabei gelingt es den Autoren immer, den Leser nicht nur zum Lachen zu bringen, sondern auch emotionale mitfiebern zu lassen. Darüber hinaus werden Sympathien aber in alle Richtungen verteilt. Alle Jugendlichen suchen nach ihrem Platz in der Schulgesellschaft und sind ständig um ihren Status und ihre Position besorgt. Und trotz Vicky und Jennys gehässigen Verhaltens suchen die Autoren auch in der Sozialisierung dieser Mädchen nach Gründen und Ängsten, die ihr Verhalten nicht nur erklären, sondern auch erfahrbar machen.

Im Laufe des Bandes verdichten sich die Kurzgeschichten zu einem übergreifenden Handlungsrahmen, in dem Karine Eigenständigkeit erlernt und Vicky und Jenny den Wert von Freundschaft erkennen müssen. Dieser Prozess verläuft bis auf die letzten Seiten im Hintergrund und wird sehr überzeugend verdichtet. Karine erkennt erstmals ihre Stärken, gewinnt Selbstvertrauen und auch Unabhängigkeit, während Vicky und Jenny erstmalig tatsächlich etwas für Karine tun. Die mal komischen, mal ergreifenden Erzählungen über die Brutalität des Erwachsenwerdens und alltägliche Gemeinheiten zeigen im Finale des Bandes so wie Gleichwertigkeit und Anerkennung die Grundlage jeder Freundschaft bilden. Glücklicherweise sind die Konflikte zwischen den sehr unterschiedlichen Personen noch längst nicht aufgelöst, denn sonst gäbe es ja keinen Grund für einen zweiten Band dieser witizgen und geistreichen Serie.

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