The Discomfort Zone (von Jonathan Franzen)

„The Discomfort Zone“ ist eine Sammlung von sechs autobiographischen Aufsätzen Jonathan Franzens. Vordergründig geht es um den Verkauf des Hauses seiner verstorbenen Mutter, den Einfluss der Peanuts auf seine Kindheit, seine Erlebnisse in einer christlichen Jugendgruppe, seine vor den Eltern verborgenen Jugendgeheimnisse, der Beginn seines Studiums der deutschen Sprache sowie seine Leidenschaft für die Vogelbeobachtung. Der Großteil der Texte konzentriert sich auf die Kindheit und Jugend des Autors, erst im letzten Aufsatz werden auch seine (gescheiterte) Ehe sowie der Beginn seiner schriftstellerischen Tätigkeit thematisiert. Die Essays verfolgen alle eine ruhige, unaufgeregte Linie, die man auch aus den Romanen und anderen Sammlungen Franzens kennt.

Der Fokus auf die Jugend enttäuscht etwas. Franzen stellt schonungslos dar, mit welchen (vor allem sozialen) Situationen er überfordert war, wie er seine Eltern missverstanden hat und welche Menschen er verletzt hat. Das ist sehr selbstzentriert und vermeidet natürlich die für viele Leser interessante Frage, wie Franzen seine ersten schriftstellerischen Schritte nach seinem Bildungsabschluss erlebt hat. Gleichzeitig findet man in jedem der sechs Texte präzise geschilderte, universale soziale Erlebnisse und eine Reihe komischer, nachdenklicher und einsichtsreicher Situationen.

Immer geht es um ein Verhältnis zu jemand anderem. Sei es die Angst vor der Ablehnung der Klassenkameraden oder aber auch die Wahl einer schlechteren Maklerin, einfach weil man sich von ihrer (aufgesetzten) Art geschmeichelt fühlt. In jeder Stufe ist das Verhältnis zu anderen essentiell und sowohl im Alter als auch in der Jugend ist es alles andere als einfach, diese Beziehungen ohne Ängste, Sorgen aber auch Missverständnisse und Fehler zu führen. Franzen gelingt es dabei sehr gut, unterschiedliche Blicke auf seine unterschiedlichen Entwicklungsstadien einzufangen.

Außerdem bietet „The Discomfort Zone“ mittlerweile Einblicke in eine vergangene Welt. Franzen wuchs in einem Vorort von St. Louis in Missouri auf. Die Stadt ist auch heute noch eine demokratische Hochburg in einem immer republikanischeren Staat. Franzen beschreibt wie seine protestantischen Wurzeln Werte von sozialer Gerechtigkeit, Mitgefühl und vor allem Toleranz vermittelt haben. Wenn man sich die Entwicklung (zunehmend freikirlicher) religiöser Gemeinschaften in dieser Gegend anguckt, so zeichnet „The Discomfort Zone“ auch nach, was der Absturz der gemäßigten protestantischen Kirchen in den USA mit sich bringt. Gute öffentliche Schulen und gemäßigte, weltoffene Kirchen, das einstige Bindeglied der amerikanischen Gesellschaft, sind von privaten Schulden und immer radikaleren evangelikalen Gemeinschaften bzw. dem gleichzeitigen Trend zum Atheismus verdrängt worden. Insofern sind einige Abschnitte über die Aufbruchsstimmung der 70er-Jahre trotz sozialkonservativer Elternhäuser von besonderem Interesse. Schließlich wundert man sich dabei, wie diese Jugend heute bei (vermutlich) progressiveren Elternhäusern aber einem perspektivloseren und vor allem regressiveren gesellschaftlichen Umfeld aussähe.

„The Discomfort Zone“ ist Jonathans Franzens Rückschau auf sechs Momente, in denen er sich seines Verhältnisses zu seinem Umfeld und seiner Umwelt gewahr geworden ist. Das ist so schön beschrieben, dass man es gerne liest und bietet eine Reihe interessanter Einblicke in den amerikanischen Mittleren Westen der 70er-Jahre, deren gesellschaftliche Grundlage sich in den vergangenen 40 bis 50 Jahren grundsätzlich geändert hat.

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