Das Ende ist der Anfang (Star Trek: Picard, Episode 1×03)

https://www.youtube.com/watch?v=6J868MlNtGk

(Orig. Titel: „The End is the Beginning“)

Picard hat erlebt, wie der romulanische Geheimdienst Zhat Vash die junge Dahj auf der Erde ermordet hat. Er befürchtet, dass ihre ebenfalls synthetische Zwillingsschwester Soji, deren Aufenthaltsort Picard nicht kennt, dasselbe Schicksal droht. Er ist also dringend auf der Suche nach einem Schiff und einer Crew. Da die Sternenflotte ihm jedwede Unterstützung versagt, muss er sich bei alten Bekannten umhören. Und die sind im weniger wohlgesinnt, als man meinen könnte.

Auch die dritte „Star Trek: Picard“-Folge baut auf einigen unwahrscheinlichen Elementen auf. Eine Verschwörung innerhalb der Admiralität der Sternenflotte soll dem Zhat Vash Tor und Tür öffnen. Der romulanische Geheimdienst agiert nicht etwas verdeckt auf der Erde, sondern mit einem ganzen Swat Team. Diesmal gibt sich die Episode nicht einmal mehr die Mühe zu erklären, wie der Geheimdienst seine Spuren verwischt. Das ist selbst für eine groß angelegte Verschwörung etwas zu dick aufgetragen. Zweitens erfährt der Zuschauer in dieser Episode wie rasch die Sternenflotte und die Föderation die Forschung zu synthetischem Leben nach dem Anschlag einiger manipulierter Androiden eingestellt hat. Das wirkt gänzlich wahnsinnig. Da wurde man gerade von innen heraus durch einen Programmfehler der Androiden angegriffen und man bemüht sich nicht einmal herauszufinden, wie dies geschehen konnte. Dass es in einer offenen, pluralistischen und demokratischen Gesellschaft wie der Föderation keine Stimme gibt, die laut und erfolgreich fordert, das Phänomen zumindest durch Forschung zu erklären, erscheint unmöglich. Zuletzt ist Picards Entscheidung nur bei Leuten um Hilfe zu bitten, die ihm nicht wohlgesonnen sind, absurd. Bereits in der vorherigen Folge informierte Picard seine Mitbewohner darüber, dass er niemanden um Hilfe bitten werde, der loyal zu ihm sei. Diese würden ihm nämlich blind folgen. So kann man natürlich leicht erklären, warum die Darsteller aus „Star Trek: The Next Generation“ allenfalls Nebenrollen erhalten. Es macht aber leider auch keinen Sinn: Schließlich ist Picard keineswegs der idealistischste Verfechter der Föderationsideale. Der Charme der „Next Generation“-Serie bestand ja gerade darin, dass alle Protagonisten die Werte der Föderation verinnerlicht haben. Insofern würden sie alle ähnliche Anreize wie Picard haben, sich auf eine wagemutige Mission zu begeben: Sie würden die Werte der Föderation verteidigen wollen und nicht ausschließlich aus Loyalität zu Picard aufbrechen.

Das Kunstück der dritten Episode „Das Ende ist der Anfang“ ist, diese Unstimmigkeiten gänzlich vergessen zu lassen. Die Folge setzt die gemütliche und langsame Exposition der Serie fort. Anstatt die Story hektisch voranzutreiben, nimmt sich auch diese Episode Zeit, neue Protagonisten einzuführen und alte weiterzuentwickeln. Das stößt einen ausgesprochen stimmigen Erzählfluss an, der den Leser durch seine ruhigen, aber kohärenten Schritte in die Handlung zieht. Picards Weg zu einem Schiff und einer Crew ist lang und steinig. Zunächst bemüht er sich, seine einstige Adjutantin Raffi für seine Mission zu begeistern. Nach Picards Ausscheiden aus der Sternenflotte (nachdem die Sternenflotte sich weigerte nach dem verherenden Anschlag synthetischer Lebensformen auf die Hilfsflotte für Romulus weiter Hilfen für den sterbenden Planeten und seine Bevölkerung bereit zu stellen) ging es mit ihrem Leben stetig bergab, ohne dass Picard sich nach ihr erkundigt hätte. Das nimmt sie ihm verständlicherweise übel, genau so wie die Tatsache, dass er ihren Vermutungen über romulanische Aktivitäten in der Föderation nie Glauben geschenkt hat. Letzteres ist immerhin verständlich: Warum hätten die Romulaner die synthetischen Lebensformen in der Föderation zu einem Anschlag auf eine Hilfsflotte anstiften sollen, die vielen Millionen Romulanern das Leben gerettet hätte? Zunächst wirkt dieser daher Charakter etwas überzeichnet, da man die wahren Gründe ihres Abstiegs nicht richtig nachvollziehen kann. Gleichzeitig bringt Raffi aber eine interessante Klassendynamik in die Handlung ein. Anders als Picard konnte sie sich nicht auf ein luxeriöses Landgut zurückziehen. Als sie stattdessen mit ihren Vorwürfen gegen romulanische Geheimdienstaktivitäten als paranoid abgestempelt wurde, war sie ausschließlich auf sich gestellt. Im Laufe der Episode wird dieser Hintergrund immer überzeugender und Raffi zu einer vielversprechenden Handlungsträgerin.

„Das Ende ist der Anfang“ führt mit Captain Rios ein weiteres einstiges Mitglied der Sternenflotte in die Handlung ein. Er ist ein Bekannter Raffis und bietet sich an, sein Schiff und seine Fähigkeiten als Pilot zur Verfügung zu stellen. Ob dies tatsächlich gegen Bezahlung geschieht, ist nicht ganz klar. Er scheint von seinem Dienst in der Sternenflotte traumatisiert zu sein und unterhält ein ähnlich schrulliges medizinisches Notfallprogramm, das seinem Aussehen nach empfunden ist. Alles in allem wirkt dieser als Zyniker angelegte Charakter noch etwas blass. Die vierköpfige Crew wird von Dr. Jurati komplementiert. Nach einem Verhör durch die von den Romulanern unterwanderten Admiralen der Sternenflotte ahnt sie, dass etwas an der Situation nicht stimmt. Sie entscheidet sich, Picard aufzusuchen und rettet ihm dadurch zufällig das Leben vor einem plötzlichen romulanischen Angriff auf sein Weingut. Dr. Juartis Motivation erscheint aufrichtig: Als Expertin für synthetisches Leben hat sie seit dem Forschungsverbot der Föderation weitgehend nichts getan, nun hat sie die Chance bei der Suche nach Soji endlich ihre Forschung in der Praxis zu überprüfen. Gleichzeitig weiß man nicht, wie ihr Gespräch mit der für die Romulaner arbeitenden Admiralin gelaufen ist. Gut möglich, dass die überzeugend gespielte und sympathische Wissenschaftlerin in Picards-Besatzung eine Agentin seiner romulanischen Feinde ist. Mit Captain Rios und Dr. Juartis ist Picards kleine Truppe ein sympathischer Mix aus unzufriedenen Figuren, die alle ihre verständliche und authentischen Gründe haben, den einstigen Admiral auf seiner Suche nach Soji zu begleiten.

Derweil erlebt Soji auf dem von Romulanern erforschten Borg-Kubus bei ihrer Forschung erstmalig, was ihrer Schwester kurz vor ihrem Tod ebenfalls wiederfahren ist: Sie weiß auf einmal Dinge, von denen sie noch nie gelesen oder erfahren hat. Dies geschieht im Rahmen einer interessanten Unterhaltung mit einer von den Borg befreiten Romulanerin, die am Ende des Gesprächs Soji als „Zerstörerin“ zu erkennen glaubt und für einiges an Aufsehen sorgt. Dieser Handlungsstrang bietet wenig neue Erkenntnisse, aber viele kleine spannende und atmosphärisch starke Situationen, die mehr darüber Erfahren wie wenig Soji eigentlich über ihre Herkunft und vor allem ihr (möglicherweise gar nicht reale) familiäre Umfeld weiß.

„Das Ende ist der Anfang“ bringt Picard endlich wieder in die Situation, ein Raumschiff zu kommandieren. Es mag etwas langsam wirken, dass die Mission erst nach einem knappen Drittel der ersten Staffel wirklich los geht. Die dritte Episode macht diese langsam angelegte Exposition aber inhaltlich faszinierend, erzählerisch durch die ständige romulanische Gefahr höchst spannend und mit den immer gelungeneren Figuren der Serie zudem ausgesprochen unterhaltsam. Dieser Mix überzeugt von Folge zu Folge mehr.

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