The Storyteller’s Replacement (von N. K. Jemisin)

Ein „Storyteller“ erzählt von König Paramenter von Sosun. Paramenter herrscht mit Grausamkeit, sein größtes Ziel ist es, einen männlichen Drachen zu erlegen, dessen Herz zu essen und dessen Stärke und vor allem Fruchtbarkeit zu übernehmen. Da männliche Drachen jedoch rar geworden sind, erlegt er stattdessen einen weiblichen Drachen. In der Folge zeugt er viele Töchter mit vielen Frauen. Während seine Geliebten alle im Kindsbett sterben, vermehren sich seine Töchter stetig. Als Paramenter endlich einen, wenn auch schwächlichen männlichen Drachen erlegt, offenbaren ihm seine Töchter, dass sie Drachen in Menschenform sind. Da Männer wie Paramenter die meisten männlichen Drachen ausgerottet haben und nur noch degenerierte, schwache Kreaturen übrig sind, mussten sie sich anpassen, um zu überleben. Nach dieser Offenbarung fressen sie Paramenter auf. Die Erzählstimme, womöglich ebenfalls ein Drache in Menschenform, zieht das Fazit, wie schade es doch sei, dass so viele Anführer schwach seien und Stärke lieber von anderen nehmen als diese selbst aufzubauen.

Der Kurzgeschichte gelingt es, den epischen und märchenhaften Ton von König-Drachen-Geschichten zu treffen. Die Charakterer sind knapp aber pointiert skizziert, die Handlung schreitet geradlinig, aber in großen Sprüngen voran. Von Anfang an ist klar, dass irgendetwas mysteriöses mit den Nachkommen Paramenters vor sich geht. Die Idee, dass sich die (weiblichen) Drachen an das Bedrohungsszenario „Mensch“ anpassen und in veränderter Form weiterexistieren, ist interessant. Drachen werden in der Regel als brutale, aber auch ausgesprochen weise Wesen dargestellt. Dass sie einen Weg finden, die Menschheit auszutricksen, überrascht eigentlich weniger, als dass sie von der Menschheit an den Rand des Aussterbens gebracht werden.

Während auf der einen Seite die Schläue der weiblichen Drachen steht, die ihre Kultur – wie z.B. das Fressen von Menschen – auch in Menschenform nicht aufgegeben haben, stehen auf der anderen Seite weitgehend dümmlich agierende Männer. Die männlichen Drachen können wenig für ihre Situation, sie werden von vermeintlichen menschlichen Helden wegen Vitalitätsversprechungen gejagt. Paramenter wiederum ist die gesamte Kurzgeschichte über von der Macht geblendet. Er vertraut Sagen, ignoriert Warnungen und stirbt am Ende durch seine eigenen Enkelkinder. Wie für ein Märchen typisch, ist die Moral klar und deutlich formuliert: Zu viele Mächtige nutzen ihre Macht, um andere auszubeuten, anstatt eigene Stärkem, z.B. durch gerechtes Handeln, aufzubauen.

Die Rahmenhandlung trägt zu dem mysteriösen Ton der Kurzgeschichte bei. Hier ist unklar, ob es sich um eine Schauergeschichte für (womöglich missbrauchte) Kinder handelt oder ob hier eine weitere Drachendame gerade dabei ist, mit ihrem Abendessen zu spielen. Durch das Aufzeigen, dass Machtmissbrauch nicht nur auf der königlichen Ebene, sondern auch auf der ganz individuellen Ebene zwischen Geschichtenerzähler und Zuhörer geschehen kann, verstärkt die Rahmenhandlung des „Storytellers“ die schaurige Atmosphäre der Geschichte überzeugend.

Die Kurzgeschichte „The Storyteller’s Replacement“ von N. K. Jemisin ist 2018 in der Anthologie der Autorin „How Long ‚Till Black Future Month?“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2019“, herausgegeben von Carmen Maria Machado und John Joseph Adam.

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