Der Mann, der Hunde liebte (von Leonardo Padura)

Ivan Maturell hat ein bewegtes Leben hinter sich. Als junger Mensch träumte er in Kuba davon Schriftsteller zu werden. Bald trieb ihm die stalinistische Zensur jedwede Kreativität aus. In den Zeiten des Umbruchs nach dem Fall der Sowjetunion verdingt er sich als Amateur-Tierarzt sowie als Redakteur einer Fachzeitung. Erst nach dem Tod seiner geliebten Frau Ana gelingt es ihm, die Geschichte zu erzählen, die ihn nie losgelassen hat. In den 70er-Jahren traf er durch Zufall mehrfach Jaime Lopez. Unter diesem Namen lebte Ramon Mercader, der Mörder Leo Trotzkis einige Jahre auf Kuba. Von Ramon und über Umwege von einigen Menschen aus dessen Umfeld erfuhr Ivan die ganzen Hintergründe hinter dem vielleicht sinnlosesten politischen Mord der Geschichte. Nach Anas Tod versucht Ivan, sich diese Geschichte von der Seele zu schreiben.

„Der Mann, der Hunde liebte“ erzählt die Geschichte von Trotzkis Mord und vor allem das Leben dessen Mörders Mercaders aus drei Perspektiven. Die Klammer ist Ivan, der auf Kuba ein Leben in der Hoffnungslosigkeit eines stagnierenden, repressiven kommunistischen Regimes lebt. Dieses Regime sorgt auch dafür, dass seine Frau nicht die Medikamente erhält, die sie zum Überleben bräuchte. In dieser Situation des Leids und des Mangels recherchiert Ivan sowohl das Leben Trotzkis als auch das Meracders und bringt die zwei Perspektiven zusammen. Diese Erzählentscheidung nutzt dem Roman in zweierlei Hinsicht. Erstens erlebt man durch Ivan die katastrophalen Auswirkungen stalinistischer Praxis sowohl auf kreative Individuen wie ihn als auch auf die Gesellschaft als Ganze, die nicht einmal eine grundlegende medizinische Versorgung sicherstellen kann. Diese emotionale Bindung an das (nicht einmal schlimmste) Leid sowjetischen Einflusses macht die Handlung um die wettstreitenden Ideen des Kommunismus um so tragischer. Das ist wichtig für den Roman, denn das Ende, Trotzkis Tod, steht schließlich von Beginn an fest.

„Der Mann, der Hunde liebte“ ist auch eine Geschichte von Trotzkis Exil in der Türkei, in Norwegen und letztlich in Mexiko. Trotzki ist kein Engel, auch er ist verantwortlich für den Tod vieler Menschen. Und dennoch gelingt es Padura, seine Gedankengänge, seine Überzeugung für die Richtigkeit seines Handelns in erschreckender Klarheit auszubreiten. Trotzki ist genau so fanatisch wie die meisten seiner Zeitgenossen, weiß dies aber in klare Worte und eine kohärentes ideologisches Fundament zu fassen. Padura baut ganze Kapitel auf Zitaten und Briefen Trotzkis auf und gibt seinem Roman so den Eindruck eines biographischen Werkes. Gleichzeitig gelingt es ihm trotz des vorhersehbaren Ausgangs der Handlung, Spannung aufzubauen. Denn Trotzki leidet an der aus seinen Augen vorhersehbaren faschistischen Katastrophe und der Leser, der über dessen Ausgang bereits Bescheid weiß, leidet mit Trotzki mit. Neben den endlosen aus Moskau angestachelten Intrigen ist es für Trotzki, dessen einzige Waffe die Sprache ist, nämlich unmöglich, sich in der Weltöffentlichkeit Gehör und Einfluss zu verschaffen.

Die spannendste Perspektive ist aber natürlich die Ramon Mercaders. Aus dem Sohn eines bürgerlichen Fabrikbesitzers wird, angestachelt durch seine in ihrem Hass auf ihre eigene Klasse radikalisierte Mutter ein kommunistischer Extremist. Ramon liebt in seinem Leben zwei Frauen, seine Mutter sowie África, die dessen Mutter in kommunistischer Hartnäckigkeit noch zu übertrumpfen weiß. Beide führen ihn auf einen Weg, auf dem er letztlich bereit ist alles zu tun, was Moskau befiehlt. Ramons Geschichte wandelt sich dadurch vom kritischen Kommunisten, der für die Freiheit kämpft zum brutal ausgebildeten Mörder. Im Anschluss steht er vor der Herausforderung über mehrere Monate eine Beziehung zu einer amerikanischen Trotzkistin unter falschem Namen überzeugend aufrechtzuerhalten, um an sein Ziel zu kommen. Der Aufwand, der für diesen politischen Mord an einem längst kalt gestellten, harmlosen und vor allem verzweifelten Mann betrieben wird, ist atemberaubend. Die Maschinerie des Stalinismus wird an Ramons Radikalisierung beklemmend illustriert. Padura gelingt es aber auch, Ramons Seelenzustand, seine Wandlung über die Jahrzehnte sowie seinen Umgang mit der Schuld, die er auf sich geladen hat, sowie seine Trauer um das Leben, das er sich selbst verbaut hat, in ruhiger, klarer und direkter Sprache zu kommunizieren. Zurück bleibt ein komplexer Charakter, so weit wie möglich auf der knappen Quellenlage über Mercader aufgebaut, die so vertraut ist, dass sie schwerlich nicht sympathisch ist. Erst Ivans Freund Daniel rettet den Leser aus der Sympathiefalle, indem er Ivan auf die Absurdität verweist, Sympathie für einen Mann zu empfinden, der Stalin dabei geholfen hat mehr als 20 Millionen Menschen umzubringen.

Der Unionsverlag bewirbt den Roman mit einem Zitat Heraldo de Aragón, der behauptet, „wer [den] mitreißenden, faszinierenden und ernüchternden Roman gelesen hat, versteht das 20. Jahrhundert besser“. Tatsächlich ist der Roman mitreißend und spannend. Und tatsächlich ist der Leser nach der Lektüre ernüchtert über die Abgründe großer Theorien. Und vielleicht versteht man durch die Beobachtung Mercaders, Trotzki und Ivans vielleicht tatsächlich besser wie aus anständigen Menschen brutale Mörder im Dienste falscher Ideologien werden, Menschen Sympathien für Mörder im Dienste dieser Ideologien entwickeln und diese Ideologien sowohl für die Massen als auch für viele einfach Individuen großes Leid und Elend geschaffen haben.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert