Willkommen auf Alflolol (VON PIERRE CHRISTIN & JEAN-CLAUDE MÉZIÈRES / VALÉRIAN ET LAURELINE BAND 4)

(Die Besprechung beruht auf dem Comic „Bienvenue sur Alflolol“ im zweiten Band der französischen Gesamtausgabe.)

Technorog ist eine Industriewelt, die für Galaxity wirtschaftet. Bei einem Routinebesuch stoßen Valérian und Laureline mit einem Raumschiff der Alflololianer zusammen. Es stellt sich heraus, dass dieses lebenslustige und mit einer sehr langen Lebensspanne gesegnete Volk von Technorog, das eigentlich Alflolol heißt stammen. Laut galaktischem Code haben sie daher das Recht zurückzukehren. Doch ihre Lebensweise stört bald die Industrieproduktion. Daher werden den Alflololianer Reservate zugeteilt. Diese liegen in der Wüste, sodass die Alflololianer auf Hilfslieferungen der Menschen angewiesen werden – die sie nur gegen Arbeit erhalten. Arbeit als solche, die über das Ausstatten ihrer Raumschiffe und der Jagd hinausgeht, ist ihnen jedoch fremd. Laureline empört sich über diese für die Alflololianer unnatürlichen Auflagen, während Valérian versucht, mit der Regierung Technorogs Kompromisse auszuhandeln. Das führt zum Streit zwischen den beiden Agenten – doch die Situation verändert sich rapide durch das Verhalten der Alflololianer.

„Willkommen auf Alflolol“ ist in erster Linie eine bitterböse Kritik an der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Die Menschen auf Technorog, allen voran ihre Ratsmitglieder, haben die Steigerung und Sicherung der Produktion zur obersten Maxime erhoben. Neben diesem Ziel gibt es kein Anderes. Die Umwelt und auch die Lebensqualität werden hinten angestellt. Der Comicband zeigt nicht, wie Menschen darunter leiden. Stattdessen konfrontiert er diese Gesellschaftsform mit einer Stammesgesellschaft, die sich auf das lebensnotwendige beschränkt und dennoch die Sterne erreicht hat. Sie zieht nomadisch durch das Weltall, aufgrund ihrer langen Lebensspanne gibt es keine Zeitnot. Die Akkumulation von Gütern ist ihnen fremd, stattdessen ist die gesamte Gesellschaft auf die Steigerung der Lebensqualität und des Glücks ausgerichtet. Im Gegensatz dazu wirkt die Gesellschaft Technorogs geradezu unmenschlich. Während es innerhalb der Menschheit in den vorherigen Valérian-Bänden immer Schurken gab, ist es hier erstmals die gesamte menschliche Gesellschaft die als Antagonist auftritt. Dabei unterscheidet sich Technorog allerdings bedeuten, von der mittlerweile in Überfluss lebenden Erde. Der Band zeigt daher auch auf, dass Luxus irgendwo erwirtschaftet wird. Insofern befindet man sich in einem Teufelskreislauf: Planeten werden ausgebeutet, damit die Hauptplaneten der Menschheit ein sorgenfreies Leben haben. Der 1972 erschienene Band verarbeitet dabei auch die zeitgleich ihren (vorläufigen) Höhepunkt erreichende Debatte über die Endlichkeit unserer Ressourcen. Das Wirtschaften auf Alflolol ist alles andere als nachhaltig, zerstört die Natur und letztlich den Planeten, den die Alflololianer kaum mehr wieder erkennen. Dieses Nachdenken über Lebens- und Umweltstandards geschieht hier in einer spannenden Geschichte.

Denn die Thematik wird mit der Frage um Ausgrenzung und Macht verknüpft. Die Alflololianer haben zwar das Recht, auf ihren Planeten zurückzukehren. Doch die Verwaltung des Planeten hat auch das Recht, ihnen Lebensraum zuzuweisen. Und dieser ist karg, von Fabriken verschmutzt und zum Leben unmöglich. Laureline sieht diesen Machtmissbrauch sofort, schlägt sich eindeutig auf die Seite der Alflololianer, obwohl diese sich kaum beklagen. Valérian braucht einmal mehr länger, um die Probleme zu erkennen. Als dies endlich geschieht, versucht er in seiner Rolle als Agent der Zentralverwaltung mit der örtlichen Regierung Kompromisse einzugehen. Das verschlechtert die Lage jedoch nur. Dies ist eine überraschend aktuelle Kritik an der Integrations- und vor allem der Minderheitenpolitik, die einige Länder noch immer ausüben. Erstens muss der Gedanke des diese Gruppen schützenden Rechts umgesetzt werden. Dafür steht Laureline. Zweitens reicht es nicht aus, ungerechte Kompromisse für kleine Erfolge zu erreichen. Dieser Weg Valérians scheitert und würde in der dauerhaften Ausbeutung der Alflololianer enden. Dieser Konflikt zwischen dem die Serie tragenden Duo ist gut in Szene gesetzt, aber leider am Ende des Comics etwas rasch aufgelöst.

Wirklich stark und spannend wird der Comic aber in erster Linie durch die immer optimistischen Alflololianer. „Willkommen auf Alflolol“ hätte leicht in rein düsterer Band werden können. Doch die lebenslustigen und feiernden Alflololianer sorgen von Beginn an für Heiterkeit und Sympathie. In der Mitte des Bandes entsteht der Eindruck, das Volk könnte in seinem Reservat eingehen. Doch dann werden die Alflololianer zur Arbeit verpflichtet – ein großer Fehler. Denn mit ihrer Kreativität unterbrechen sie ständig die Produktionsabläufe. Außerdem ist ihr technisches Wissen dem der Menschheit überlegen, sodass sie auch die Produkte der Fabriken ändern. Um diese Störungen auszugleichen werden die Alflololianer über den ganzen Planeten verstreut. Ein zweiter großer Fehler: Durch ihre kreativen Einfälle bricht die komplette Produktion des Planeten zusammen. Dieses Ende ist temporeich und unterhaltsam. Letztlich entscheiden sich die Alflololianer zum Weiterziehen und werden von Valérian auf die Erde eingeladen. Das ist in bittersüßes Happy-End. Denn die Regierung von Technorog ist uneinsichtig und wird weiter fortfahren wie bisher. „Willkommen auf Alflolol“ gibt daher keine Antwort, wie das System Technorogs nachhaltig gestaltet werden könnte. Es zeigt nur auf, dass dieses System radikal durchbrochen werden muss. Gleichzeitig ist der Comic realistisch genug um zu zeigen, dass die Machthaber auch gegen größte Widerstände das Produktionssystem aufrecht erhalten werden. Auch dank der wie gewohnt starken Bilder ist „Willkommen auf Alflolol“ damit die bisher dramatischste, nachdenklichste und berührendste Erzählung der Valérian-Serie.

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