The Wretched and the Beautiful (von E. Lily Yu)

In einer nicht all zu fernen Zukunft, in der die Menschheit sich mit immer knapper werdenden Ressourcen konfrontiert sieht, stürzt ein Alien Raumschiff in der Nähe eines der letzten verbliebenen Luxus-Strandressorts ab. Die Begeisterung der Urlauber hält sich in Grenzen, sie haben schließlich lange darauf gespart, mal einen Strand zu sehen, der nun von einem Wrack verstellt ist. Die Stimmung wird nicht besser als klar wird, dass die Außerirdischen vor einem unbekannten Feind flüchten und auf der Erde Unterschlupf suchen. Nach langen Verhandlungen werden die Aliens in kleinen Gruppen unter den Staaten der Erde aufgeteilt, die ärmsten Staaten erhalten am meisten Flüchtlinge. Es kommt zu Angriffen von Menschen auf die Außerirdischen. Die menschliche Gesellschaft sorgt sich vor allem um die Zukunft der Täter, die mit Strafverfahren zu rechnen haben. Die nervöse Menschheit wird von ihrer Bürde erlöst, als eine beeindruckendes und mächtiges Raumschiff auf der Erde landet. Die reichen Außerirdischen suchen nach flüchtigen Kriegsverbrechern und meinen diese in den flüchtigen Aliens gefunden zu haben. Die Menschheit glaubt diese Geschichte trotz Unstimmigkeiten nur zu gerne und gibt ihre Gäste bereitwillig her.

„The Wretched and the Beautiful“ ist ein engagierter Kommentar zur Einwanderungspolitik vieler westlicher Staaten und vor allem zu den damit verbundenen öffenltichen Diskussionen über Migranten und deren Motive. Das birgt das Risiko eher ein pamphletischer Text als eine tatsächliche Geschichte zu werden. Yus Kurzgeschichte enthält tatsächlich viele überspitzte, wenn auch zutreffende Punkte. Es beginnt damit, dass die meisten Flüchtlinge in armen Staaten untergebracht werden, was der realen Verteilgung von Flüchtlingen auf der Erde entspricht. Es setzt sich fort mit der Sorge darüber, wie Rassisten oder in diesem Fall xenophobe Jugendliche unter ihren Taten zu Leiden haben, ohne das Leid der Opfer tatsächlich in den Blick zu nehmen. Und es endet damit, dass man rasch bereit ist, undurchsichtige Deals einzugehen, um seine Flüchtlinge los zu werden – die Türkei und Abkommen mit anderen Staaten lassen grüßen. Auf wenigen Seiten spitzt Yu diese Kritik zu und entgeht dabei der Falle, einen erweiterten Leitartikel zu fabulieren.

Das gelingt durch die gewählte Perspektive. Die Erzählstimme nimmt für sich – relativ populistisch – in Anspruch für die Menschheit zu sprechen. Dabei ist klar, dass sie für einen bestimmten Ausschnitt der Menschheit spricht, nämlich diejenigen, die sich trotz der Verknappung der Ressourcen und der grassierenden Armut noch leisten können, Urlaub zu machen. Insofern erregt die unfaire Verteilung der Flüchtlinge auch keinerlei Widerworte. Während die Ereignisse auf den Leser ausgesprochen zynisch wirken, empfindet die Erzählstimme die außerirdischen Gäste als übergriffig und anspruchsvoll. Die wahre Stärke dieser Perspektive ist die feste Überzeugung, dass der eigene Standpunkt absolut objektiv und mit keinerlei negativer Wertung verbunden ist. Aus „The Wretched and the Beautiful“ spricht dabei eine vorurteilsbeladene, beinahe rassistische aber vor allem unreflektierte Perspektive eines Menschen, dem es nicht gelingt, sich aus der schützenden Mehrheitsmeinung zu entfernen (der Erzähler spricht immer im Plural von „uns“ und „wir“), oder die Empathie aufzubringen, sich in die fremden Gäste hineinzufühlen. Und so sind die bösen Entwicklungen dieser Geschichte kein Produkt von Bösartigkeit, sondern von erschreckender Gleichgültigkeit und Ignoranz, die letztlich zu einer tödlichen Behandlung für schutzbedürftige Individuen wird. Dies ist sehr eindringlich und verwandelt „The Wretched and the Beautiful“ von einem empörten Kommentar, zu einer genau so empörten, emotionalen Erzählung.

Die Kurzgeschichte „The Wretched and the Beautiful“ von E. Lily Yu ist 2017 auf der VICE-Unterseite „Motherboard“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2018“, herausgegeben von N.K. Jemisin und John Joseph Adam.

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