The Secret Lives of the Nine Negro Teeth of George Washington (von Phenderson Djèlí Clark)

George Washingtons Zähne sind längst ausgefallen, er benötigt ein Gebiss. Das ist im 18. Jahrhundert gar nicht so leicht hergestellt und muss zudem regelmäßig ausgewechselt werden. Washingtons Gebisse bestehen unter anderem aus Zähnen echter Menschen. Darunter sind die Zähne von neun Sklaven. Sie alle haben ihre eigene Geschichte, wie sie in die USA gelangt sind oder wie sie ums Leben gekommen sind. Dabei hatten sie unterschiedliche Berufe, unterschiedliche Träume und unterschiedliche Ängste. Aber eins haben alle ihre Zähne gemeinsam: Sie haben die magische Fähigkeit den Träger des Gebisses an den Emotionen der verstorbenen Träger teilhaben zu lassen. Das letzte Gebiss gehörte einer Frau, deren Freiheitswunsch so groß ist, dass Washington in seinem Testament verfügt, seine Sklaven die Freiheit zu geben.

„The Secret Lives of the Nine Negro Teeth of George Washington“ ist eine facettenreiche Geschichte. Wobei es sich bei ihr eigentlich gar nicht um eine wirkliche Geschichte handelt. Es fehlt nämlich ein handelnder Protagonist. Washington erträgt die Gefühle, die ihm die Zähne verleihen eher als dass er tatsächlich handelt. Stattdessen werden dem Leser neun Lebensgeschichten erzählt. Diese sind sehr knapp gehalten und skizzieren somit in wenigen Abschnitten ein ganzes Leben. Das ist recht beeindruckend und verdeutlicht, die vielschichtigen Tätigkeiten, die Sklaven verrichtet haben, aber auch die verschiedenen Wege, auf denen sie – auch mit afrikanischer Unterstützung – nach Amerika gelangt sind.

Das ist ganz interessant und historisch detailliert herausgearbeitet. George Washington hatte tatsächlich miserable Zähne. Am interessantesten ist aber eigentlich die Person Washington selbst, obwohl sie in der Kurzgeschichte kaum vorkommt. Der große Freiheitskämpfer hielt selbst Sklaven. Dieses Paradox, das sich in den USA vielfältig replizierte, beschäftigt das Land mit seinen vielen gesellschaftlichen Unterschieden bis heute. Washingtons Entscheidung, seinen Sklaven die Freiheit zu schenken, ist allerdings auch ausgesprochen zögerlich: Sie geschieht erst nach Washingtons Tod. „The Secret Lives of the Nine Negro Teeth of George Washington“ spekuliert auch darüber, wie es zu dieser Entscheidung kommen konnte. In der vorliegenden Kurzgeschichte ist es Magie, die Gedanken der Sklaven, die bei Washington einen Gesinnungswechsel einleiten. Er erlebt die Gefühle und Wünsche einstiger Sklaven. Sklaverei ist moralisch nicht haltbar. Spätestens aber wenn man wie der Washington dieser Kurzgeschichte die Menschen hinter den Sklaven – und die kurzen Biographien strotzen im Guten wie im Schlechten nur von Menschlichkeit – ist die Sklaverei endgültig unhaltbar.

Dieser Gedanke wird in authentischen Kurzbiographien aber leider ohne wirklich zusammenhaltenden Handlungsbogen ausgedrückt. Das ist in jeder einzelnen Biographie überzeugend und regt in einigen Momenten durchaus zum Nachdenken an. Dabei fehlt jedoch an mancher Stelle ein stärkerer roter Faden, der die neun Schicksale stärker zu einem großen Beitrag zu Washingtons verknüpfen könnte.

Die Kurzgeschichte „The Secret Lives of the Nine Negro Teeth of George Washington“ von Phenderson Djèlí Clark ist 2018 im „Fireside-Magazine erschienen. Sie ist für den Hugo Award 2019 in der Kategorie „Best Short Story“ nominiert.

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