Space Opera (von Catherynne M. Valente)

Eurovision im Weltall! Nach einem galaktischen Krieg, der beinahe die Zerstörung aller Völker verursacht hat, ist ein stabiler Frieden geschaffen worden. Ein Kernbestandteil ist der Metagalaktische Grand Prix. Anders als der Eurovision Song Contest hat dieser Wettbewerb jedoch einen Clou: Jedes Jahr werden Völker eingeladen, die kurz davor stehen, in den Weltraum vorzustoßen. Damit es nie wieder zu einem Krieg kommt, müssen sie ihre Empfindungsfähigkeit unter Beweis stellen. Kommen sie auf den letzten Platz werden sie von der galaktischen Gemeinschaft ausgelöscht, erreichen sie irgendeinen anderen Platz so werden sie in die galaktische Gemeinschaft aufgenommen. In diesem Jahr ist die Erde aufgefordert, an dem Grand Prix teilzunehmen und zwar mit dem abgehalfterten Star Decibel, für den sich die Teilnahme bald zu einem Albtraum entwickelt.

„Space Opera“ ist eine abgedrehte Komödie, die das Genre der titelgebenden Space Opera und das Musikgeschäft wo immer es geht auf den Arm nimmt. Das ganze ist verbunden mit einer endlosen Zahl and Eurovision-Anspielungen und der apokalyptischen Bedrohung, dass die gesamte Menschheit ausgelöscht wird. Dabei geht es Valente ganz klar um den humoristischen Aspekt. Die Handlung selbst ist nämlich ausgesprochen dünn. Nach dem ersten Kontakt mit der galaktischen Gemeinschaft verfolgt man Decibel, der sich mit seinem Bandkollegen wieder versöhnen muss, sich gegen eine Reihe von Anschlägen wehren muss (schummeln, indem man Konkurrenten umbringt ist ausdrücklich erlaubt!) und am Ende mit viel Glück den letzten Platz verhindert. Das ist gradlinig, selten wirklich überraschend und handlungstechnisch dünn.

Darum geht es dem Roman aber auch gar nicht. Stattdessen geht es um Vielfalt, Komik und letztlich auch die Frage, was Empfindungsfähigkeit bedeutet. Jedes zweite Kapitel ist zum Beispiel von Schilderungen ausgesprochen fremdartige Lebewesen dominiert und wie diese entweder ihren Platz in der galaktischen Gemeinschaft gefunden haben oder aus Angst von derselben ausgelöscht wurden. Das ist in seiner – immer kurzweiligen – Komplexität beeindruckend. Valente entwirft eine Galaxis, in der jede denkbare Lebensform auch existiert. Den Grand Prix zu gewinnen bedeutet daher auch, diese Vielfalt irgendwie zu repräsentieren. Das ist ein sehr starker Aspekt des Romans, der bereits in dem ersten Kontakt der Menschheit deutlich wird. Alle Gewissheiten, jedes Überlegenheitsgefühl werden hier in einer konzertierten Aktion – der Botschafter der Gemeinschaft spricht zeitgleich mit allen Menschen – zunichte gemacht. Die anthropozentrische, auf den Menschen fokussierte, Sicht wird umgehend durch eine explodierende Vielfalt ersetzt.

Valente arbeitet sich an den verschiedensten Aspekten der Musikindustrie und der Science Fiction ab. Ihr lakonischer Ton vermittelt die Faktenvielfalt ihres Universums aus kurzweilige Art. Die Witze selbst wollen meist jedoch nicht zünden. Zwar wird hier ein skurriles Universum ausgearbeitet und das Musikbusiness sowie dessen Qualitätskriterien aufs Korn genommen. In der gesamten Romanlänge ermüdet dies jedoch eher. Natürlich schaffen auch die vielfältigen Lebensformen, denen Decibel begegnet viel Raum für absurde Situationen. Das ist eher gelungen als die satirischen Elemente des Romans.

Am stärksten ist aber die Frage nach der menschlichen Empfindungsfähigkeit selbst. Natürlich sieht sich die Menschheit selbst als intelligent und einfühlsam. Gleichzeitig machen sich sowohl Decibel als auch sein Bandkollege Oort Gedanken, ob die Menschheit wirklich friedlich im All bleiben wird. Letztlich stellt sich heraus, dass die beiden Menschen auf dem Weg zum Grand Prix Finale, durch viele Angebote zu betrügen, von der galaktischen Gemeinschaft getestet werden. Gleichzeitig hat die galaktische Empfindungsfähigkeit selbst grenzen: Decibel wird im Verlaufe der Testphase von jemandem, der tatsächlich schummelt, die Stimme geraubt. Diese Doppeldeutigkeit ist so verwirrend wie sie überzeugend ist. Letztlich ist dieser angeblich perfekte Test so grausam und subjektiv wie die meisten anderen Tests. Darüber hinaus geht es für Decibel und Oort aber auch um den Grund ihrer Bandtrennung: Beide haben den vermutlich aus einer Depression entstandene Unfalltod ihrer einstigen Bandkollegin Mira nicht verarbeitet und überziehen sich gegenseitig mit Vorwürfen. Der Grand Prix bietet ihnen nebenbei die Chance, sich mit diesem Trauma auseinanderzusetzen. Dieses Thema von Trauer und verlorenem beziehungsweise nie gefundenem Glück komplementiert die Thematik der menschlichen Empfindungsfähigkeit auf überzeugende Weise.

„Space Opera“ ist im Kern eine abgedrehte Komödie, die auf liebevolle Art den Eurovision Song Contest in die Zukunft trägt und auf bitterböse Art mit organisierten Gesellschaften abrechnet. Die dabei zur Schau gestellte explodierende Vielfalt wie auch die Frage nach der notwendigen Empfindungsfähigkeit für friedliches Zusammenleben sind dabei sehr gut und unterhaltsam herausgearbeitet. Leider gehen diese Themen streckenweise hinter der dünnen, teils gar zähen Handlung und dem nicht immer funktionierenden Humor unter. „Space Opera“ leidet daher trotz unterhaltsamer Momenten daran, dass das vielfältige Material keine den ganzen Roman tragende Spannung aufbaut.

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