Schwestern (ARD Radiotatort)

Eine Gruppe Studenten findet auf einer Einweihungsfeier eine Leiche in einer Kühltruhe im Keller. Anbei findet sich eine Skulptur, mit der das Opfer erschlagen wurde. Nina Brändle erkennt „den Arp“ sofort: Es handelt sich um ein Erbstück wegen dessen sie sich mit ihrer Schwester zerstritten hat. Die Leiche stellt sich als Psychotherapeutin heraus. Hat Ninas Schwager seine Therapeutin entsorgt und in seiner alten Studentenbude entsorgt? Oder steckt der gerade eingezogene, umtriebige Graffitikünstler, der die Leiche Leiche gefunden hat, dahinter. Oder waren es am Ende doch die beiden freundlichen, aber habgierigen Damen denen das Gebäude gehört?

„Schwestern“ fährt ein beeindruckendes Ensemble auf. Das liegt in erster Linie an Nina Brändles Rolle. Die sonst emotional eher unterkühlte Kommissarin muss hier in ihrer eigenen Vergangenheit rumstochern. Das Erbe „des Arps“ hat die Familie einst zerrissen, nun taucht die Skulptur als Mordwaffe wieder auf. Doch ihre Schwester reagiert bei der reinen Erwähnung des „Arps“ bereits in Wut. Wie Konflikte vererbt werden, Erbstreitigkeiten zu besonderer Selbstbezogenheit führen und Kommunikation so selbst im Angesicht eines Mordes unmöglich wird, ist hier sehr gut dargestellt.

Aber auch andere Protagonisten sind sehr stark. Der linke, spielsüchtige, Modelleisenbahnen liebende Schwager und stellvertretende Schulleiter macht einen überforderten, selbstzentrierten und doch irgendwie sympathischen und authentischen Eindruck. Auf der Graffitikünstler, der letztlich mit Tierbildern nur seine Tierphobie abarbeitet und charakterlich in erster Linie ein Unsympath ist, gibt der Story ihren eigenen Flair. Aus den Aussagen dieser beiden Verdächtigen erschließt sich letztlich der Tathergang. Das ist so inszeniert, dass die letztlich drei Ermittlerteams – Brändle ermittelt angesichts der familiären Betroffenheit nämlich allein und ohne Genehmigung ihrer Kollegen – ein hohes Tempo aufbauen und am Ende gar einen sehr soliden Spannungsbogen hinbekommen.

Dabei hat „Schwestern“ jedoch auch schwache Seiten: Eine Beziehung zwischen zwei Beamten wurde in der vorherigen Folge aufgebaut, hier aber gleich wieder merkwürdig aufgebauscht und problematisiert, ohne dabei aber wirklich eine Rolle in der Handlung einzunehmen. Das ist unnötig. Außerdem erscheint Brändles Eifer, alleine zu ermittelten streckenweise doch etwas unvorsichtig. Spätestens als sie selbst auf die Hintergründe des Mordes kam, hätte sie ihre Kollegen informieren müssen. So wirken ihre Handlungen untypisch für ihren ansonsten sehr professionellen Charakter.

„Schwestern“ ist zudem ein Exemplar der in letzter Zeit rar gewordenen Sorte Radiotatort, in der am Ende nicht nur die Kriminellen herausgefunden werden, sondern wo sich diese auch noch als unsympathisch und tatsächlich böse herausstellen: Die beiden alten Schwestern, die seit Jahren Mieter in ihrer Wohnung betrügen und zudem in ihrer Raffgier mit Kunstware hehlen, schrecken nicht vor mehreren Morden zurück. Dabei scheinen sie über die Zeit von ihrer eigenen Gier immer mehr geblendet worden zu sein – anders lassen sich ihre fahrlässigen Taten nicht erklären. Obwohl die Auflösung des Falls sehr überzeugend ist, hätte man sich mehr Einblicke in die Raffgier der Schwestern erwünscht. So erlebt man die beiden nur aus den ausgesprochen negativen Schilderungen ihrer Mieter.

Alles in allem ist „Schwestern“ jedoch ein dynamische, unterhaltsamer und streckenweise spannender Radiotatort. Das Motiv menschlicher Gier, die vor sozialer Lage, Familienbindung und Alter nicht zurückschreckt sind hier mit authentischen, sympathischen und bewegenden Charakteren überzeugend in Szene gesetzt.

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