Blaubart (von Max Frisch)

Dr. Felix Schaad hat in seinem Leben sechs Gattinnen verschließen, mit der siebten läuft es gerade nicht gut. Eigentlich müsste er sich freuen. Er wurde des Mordes an einer seiner Ex-Frauen, der Prostituierten Rosalinde angeklagt. Aus Mangel an Beweisen wurde er freigesprochen. Nun meidet ihn jedoch sein komplettes soziales Umfeld. Außerdem gehen Schaad die Verhöre des Prozesses mit vielen Zeugen nicht aus dem Kopf. Dabei hat er Dinge erfahren, die er längst vergessen hat oder nie erfahren wollte. In seinem Kopf läuft der Prozess weiter, treten gar seine toten Eltern irgendwann in den Zeugenstand. Gibt es letztlich irgendwo in seinem Kopf doch Beweise dafür, dass er schuldig ist?

Die knappe Erzählung ist ein nicht enden wollender Fluss an Verhören. Man erfährt aus der Perspektive anderer über das Leben Schaads. Schaad selbst sieht sich ebenfalls zum ersten Mal aus der Perspektive anderer, was für ihn existentielle Fragen aufwirft. Er kommt aus dem Verhörmodus nicht mehr hinaus, findet nirgendwo Ruhe. Zunehmend dreht sich die Handlung nicht nur darum, ob er tatsächlich Schuld auf sich geladen hat. Stattdessen steht bei der Beweisführung des Staatsanwaltes auch im Raum, ob Schaad nicht wegen seiner eigenen, moralischen Verfehlungen als Schuldiger in Betracht kommt. Nichts davon ist ein stichfester Beweis, sonst wäre Schaad ja auch nicht auf freiem Fuß. Aber gesellschaftlich und persönliche Zweifel bleiben. Diese ständigen Erinnerungen, das Wiederholen und Weiterspinnen des Prozess ist fesselnd und bewegend. Denn als Leser zweifelt man zusammen mit Schaad über dessen Unschuld. Und gerade weil der Protagonist selbst auch zweifelt, wirken die Emotionen intensiv.

Die Erzählung bleibt offen. Schaad ist im Verlauf seines eingebildeten Prozesses immer überzeugter davon, dass er der Täter war. Oder ist es doch die gesellschaftliche Ächtung, die ihn zu diesen Gedanken verleitet? Oder aber die Unfähigkeit mit seinen eigenen großen wie kleinen charakterlichen Fehlern umzugehen? „Blaubart“ illustriert dabei wie man mit der eigenen, subjektiven Schuld umgehen muss und wie leicht man sich dabei selbst verlieren kann. Und Schaad verliert sich zum Schluss in einer Version seiner selbst, der er ohne zu Zögern einen Mord zutraut. „Blaubart“ ist damit ein beeindruckender Prozess, indem sich ein Mensch – gleich, ob er nun tatsächlich schuldig war oder nicht – selbst schuldig erklärt.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert