The Way to the Stars (von Una McCormack)

Inhalt: Sylvia Tilly ist 16 Jahre alt und hat ein großes Problem. Während ihr Vater auf einer Mission der Sternenflotte weit ab der Erde arbeitet, ist ihre Mutter Siobhan, eine berühmte Diplomatin, ständig mit ihr in Kontakt. Und das ist nicht angenehm: Siobhan verlangt von Tilly Bestleistungen, damit diese eine eben so erfolgreiche Diplomatenlaufbahn einschlagen kann. Tatsächlich sind Tillys Noten ausgezeichnet – und doch hat ihre Mutter immer wieder etwas auszusetzen. In erster Linie missfällt ihr, dass Tilly sich mehr auf Mathe und Naturwissenschaften konzentriert als auf ihre linguistische und rhetorische Ausbildung. Damit diese ersten „Warnleuchten“ nicht zu ernsthaften Problemen heranwachsen, verfrachtet Siobhan Tilly umgehend und trotz des Protests Tillys und ihrer Großmutter, auf ein auf die Diplomatenausbildung spezialisiertes Internat auf Talaris IV. Dort merkt Tilly, dass sie in diese Welt trotz all ihrer Anstrengungen ganz und gar nicht passt – und wagt den Ausbruch.

Kritik: Und McCormack hat eine Reihe grandioser „Star Trek“-Romane verfasst, die in der Regel entweder von ihren Charakteren oder aber von der detailliert inszenierten Kultur oder von beidem getrieben wurden. Der vierte „Discovery“-Roman konzentriert sich wie seine Vorgänger auf einen Handlungsträger der neuesten „Star Trek“-Serie. Dieser auf eine Protagonistin fokussierte Ansatz ist eigentlich ideal für McCormacks „Star Trek“-Stil. Und daher ist es sehr verwundernd, dass dieser „Coming-of-Age“-Roman, der dem Leser Sylvia Tilly näher bringen soll, kaum überzeugen kann.

Das liegt in erster Linie an dem „großen“ aber letztlich enttäuschenden Grundkonflikt. Tilly hat ein Problem mit ihrer Mutter. Die ist daran gewöhnt, dass sie immer ihren Willen durchsetzen kann. Seitdem Tillys Vater Ian auf einem Sternenflottenraumschiff seinen Dienst tätigt, gibt es kein Gegengewicht zu Siobhan. So beginnt der Roman damit, dass Siobhan über der Kritik an Tillys (exzellenten) Noten den Geburtstag ihrer eigenen Tochter vergisst. Das ist ein klischeehafter Start, der leider den Weg für den Rest des Romans erahnen lässt.

Um Tilly herum sind alle Familienmitglieder ausgesprochen verständnisvoll. Ihre Großeltern, aber auch ihr Vater, stehen ihr wann immer sie können, tatkräftig zur Seite. Auch von der Seite ihrer Lehrer und Mitschüler(innen) erfährt Tilly viel Verständnis. Dadurch wird es streckenweise schwierig, Sympathien für Tilly aufzubauen. Natürlich ist es verständlich, dass sie den Respekt ihrer bekannten Mutter erwerben möchte. Doch auf dem Weg dahin verleugnet sie sich nicht nur selbst, sondern verletzt reihenweise Menschen um sie herum. McCormack möchte mit solchen Aktionen vermutlich Tillys Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen illustrieren. Auf Dauer wirkt ihr Agieren in der Schule jedoch recht unsympathisch.

Denn in der auch im 23. Jahrhundert schon recht fortschrittlichen Föderation wäre es sicherlich ein Einfaches für Tilly mithilfe ihrer Lehrer und anderer Familienmitglieder Siobhan davon zu überzeugen, dass sie keine diplomatische Karriere einschlagen möchte. McCormack führt zwei Gründe an, warum Tilly nicht viel früher von selbst auf diese Idee kommt. Zunächst einmal respektiert sie ihre Mutter und folgt daher ihren Ratschlägen. Das macht zu einem gewissen Grad Sinn – obwohl ihr gesamtes Umfeld konstant Gegenvorschläge und -entwürfe anbietet. Der zweite Grund ist, dass Tilly sich selbst als den Grund für die Scheidung ihrer Eltern und die anschließend Abreise ihres Vaters sieht. Das ist schlichtweg albern. Spätestens im 23. Jahrhundert sollten Scheidungskinder wissen, dass ihre Eltern nur in den größten Ausnahmen wegen ihnen getrennte Wege gehen. Letztlich dreht sich der gesamte Roman hauptsächlich um diese Grundfrage – dessen Antwort für den Leser alles andere als überraschend kommt. Denn der Xeno-Archäologe Ian und die Diplomatin Siobhan sind so offensichtlich inkompatibel, dass Tillys Furcht schlicht weltfremd erscheint.

Der „Coming-of-Age“-Roman hat einen starken Moment und das ist Tillys Ausbruch aus ihren beengten Verhältnissen. Nachdem sie wegen ihrer Verbissenheit auch die letzten Freundinnen auf ihrer Schule vergrault hat, bricht sie aus: Mit einem technischen Kniff entkommt sie dem Kontrollsystem der gut geschützten Diplomatenschule. In der Folge betritt sie einen Frachter, der sie aus der Föderation herausführt, wird bestohlen, verdingt sich als Ingenieursassistentin und erhält schließlich gar eine Stelle auf einem Kolonieplaneten. Das ist mehrfach interessant. Erstens beginnt Tilly hier sich erstmals eigenständig zu entwickeln. Hieraus hätte ein interessanter Handlungsstrang entstehen können. Zweitens sind die Momente außerhalb der Föderation höchstspannend. Die materiell verwöhnte Diplomatentochter, aber unter Liebesentzug leidende Tilly trifft hier auf interessante Frauenfiguren, die sich in den Randkolonien ihren Lebensunterhalt verdienen. Unter ihnen wird frei anerkannt, dass die Föderation sehr großzügig zu Flüchtlingen ist, es aber eigentlich schön wäre, wenn die Föderation auch die Bürgerkriege beenden würde, die die eigentliche Fluchtursache sind. An anderer Stelle wundert sich eine Beamtin, warum Tilly auf einer Kolonie anheuert – wenn sie sich frei im Föderationsraum bewegen könnte, wäre sie auf einem ganz anderen Planeten. Diese sozialen Verhältnisse sind ausgesprochen spannend und Tillys Reaktionen auf sie nicht minder aussagekräftig über Tillys Charakter als die ständigen Geplänkel mit Siobhan.

Leider wird dieser Aspekt in „The Way to the Stars“ kaum behandelt. Im Gegenteil, die Flucht endet ausgesprochen schnell. Für die Geschichte ist das notwendig, den Tillys Wunsch, in die Sternenflotte einzutreten, soll erst auf dem Schiff ihres Vaters entstehen. Das ist eine falsche Entscheidung: Es wäre viel aussagekräftiger und viel interessanter gewesen, wenn Tilly ihre Entscheidung, in der Sternenflotte eine Karriere anzustreben, außerhalb der Föderation als Ingenieurin getroffen hätte. So beraubt McCormack ihren Roman um den interessantesten Aspekt. Denn in der Sternenflotte ist Tilly auf einmal nur von gleichgesinnten Umgeben, die sich permanent Gedanken um ihr Wohl machen – dabei aber anders als Siobhan Tillys Interessen mit einbeziehen. „The Way to the Stars“ plätschert somit im letzten Drittel in seifenopernhafter Manier auf ein gefälliges Ende zu. Dabei verstehen sich alle Charaktere besser – nur Siobhan lernt natürlich nichts beziehungsweise nur wenig hinzu.

Dieses Ende und vor allem der Kontrast zwischen der diplomatischen und der Sternenflotten-Ausbildung wirken letztlich zu konstruiert und aufgesetzt. Schöner und überzeugender wäre es gewesen, den interessantesten Aspekt des Romans – die Flucht in die Randwelten der Föderation – stärker zu thematisieren. Über den ärgerlichen Scheidungshandlungsstrang bleibt am Ende zudem die Frage offen, warum Tilly aus ihrem Lebensweg nicht mehr Selbstbewusstsein ziehen kann. In der ersten „Star Trek: Discovery“-Staffel ist sie schließlich immer noch die zwar draufgängerische, aber teilweise doch recht unsichere Kadettin, die erst den Mut aufbringen muss, sich auf das „Command Training Programme“ zu bewerben. Angesichts ihres hier geschilderten Lebensweges ist das verwunderlich.

Fazit: In „Star Trek: Discovery“ ist Tilly mit ihrer Unbeholfenheit einer der sympathischsten und erfrischendsten Charaktere, der jedoch immer auch knapp an der Grenze des Nervigen gespielt wird. „The Way to the Stars“ zeichnet Tillys Jugendjahre nach, in denen sie sich von ihrer Mutter emanzipiert. Die erste Hälfte des Romans, die hauptsächlich auf einer Elite-Schule spielt, ist gefällig, aber langatmig und recht substanzlos. Die zweite Hälfte ist deutlich ereignisreicher und weist spannende Aspekte auf. Leider konzentriert sich der Roman ganz auf eine oberflächliche Auseinandersetzung mit Tillys Gefühl für die Scheidung ihrer Eltern verantwortlich zu sein und ihrer Mutter nie gerecht zu werden. Dadurch übersieht er all die interessanten Aspekte an Tilly und der Handlung, die für eine überzeugende Handlung notwendig gewesen wären. Zurück bleibt eine oberflächliche, aber immerhin leicht lesbare Ode auf die Sternenflotte im Mantel eines Highschool-Romans.

Trekzone-Bewertung: 2/5

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