Mary Poppins Return

Die Wirtschaftskrise der 1930er trifft die Familie Banks hart. Michael Banks ist seit einem Jahr verwitwet und sein künstlerisches Naturell eignet sich nicht für die Haushaltsführung. Das Familienhaus der Banks ist mit einer Hypothek schwer belastet, die Bank droht, es zu verpfänden. Michael und seine Schwester haben nur noch eine Woche, um das Geld aufzutreiben. Ihre drei Kinder Annabel, John und Georgie beschäftigt dies sehr, sie sind zudem auf sich allein gestellt, da ihr Vater andere Sorgen hat. In dieser Situation taucht Mary Poppins wieder auf, um sich der Kinder anzunehmen.

Die Fortsetzung des Disney-Klassikers ist bunt und in vielen Momenten beeindruckend anzusehen. Der Zuschauer erlebt unter anderem phantastische Ausflüge in eine Badewanne, eine zersprungene beziehungsweise zerspringende Vase und einen merkwürdigen Laden für Porzellanreparaturen. Wie im ersten Teil gelingt es dem Film, kindliche Phantasien in wunderbare Bilder zu übersetzen. Dabei geht es in Mary Poppins Returns deutlich ernster zu als im ersten Teil. Stärker werden hier die Sorgen der Kinder in Bilder von schurkenhaften Wölfen und dem Wunsch aus eigener Kraft den Eltern zu helfen übersetzt. Dies gelingt sehr gut.

Leider werden die starken Bilder von den Musical-Einlagen nur bedingt unterstützt. Die Lieder sind allesamt gefällig, ein wirklicher Ohrwurm bleibt jedoch aus. Musik ist – wie alle Handlungselemente – immer eine Geschmacksfrage. Die meisten Nummern haben jedoch wenig eingängige Refrains, die den Erinnerungswert gering erscheinen lassen.

Außerdem ist die Handlung sowohl für einen Kinderfilm als auch für die „Mary Poppins“-Nanny-Thematik etwas zu ambitioniert. Im ersten Teil drehte sich die Handlung darum, dass die vernachlässigten Kindern von ihren viel beschäftigten Eltern wahrgenommen werden. Im Kern stellt sich in „Mary Poppins“ dasselbe Problem: Michael und (die Tante) Jane stehen vor großen Herausforderungen, da bleibt kaum Zeit und Aufmerksamkeit für die Kinder und ihre Sorgen. Der Grund sind jedoch anders als bei den Karriereambitionen der Großeltern eigene Existenzängste. Dieser Aspekt – wie Kinder unter den Existenzängsten ihrer Eltern leiden bzw. damit umgehen – bleibt weitgehend unbeleuchtet. Stattdessen wird „Mary Poppins Return“ zu einem Film, in dem die Familie auf der einen gegen das böse Bankensystem auf der anderen Seite kämpft. So sympathisch dies substanziell ist, Mary Poppins Beitrag hier ist nicht wirklich ersichtlich: Natürlich sind es ihre magischen Fähigkeiten, die die Familie retten, doch die Nanny-Thematik verliert dadurch ihre Aussagekraft. Beinahe bleibt die simple Botschaft zurück, dass erst die Existenznöte der Eltern geklärt werden müssen, damit Kinder wirklich wahrgenommen werden können.

Interessanter wäre der Aspekt gewesen, wie sich Erwachsene im Laufe ihres Lebens sowohl von ihrer Kindheit als auch von ihren Träumen entfernen. In Michael kann man letzteres beobachten. Um zu überleben muss der Künstler in der Bank arbeiten, in einem Job, der ihm wenig Freude bereitet. Darüber verleugnet er viele seiner Kindheitserfahrungen mit Mary Poppins als kindliche Phantasien. Die schön gestaltete Schlussszene des Filmes greift dieses Motiv auf und wirkt dabei unangenehm blutleer: Der Film arbeitet sich nämlich in erster Linie an der Bankhandlung ab, anstatt die Frage nach den Rahmenbedingungen für eine liebevolle und aufmerksame Eltern-Kind-Beziehung sowie das Bewahren kindlicher Erinnerungen in den Mittelpunkt zu stellen.

„Mary Poppins Returns“ überzeugt daher mit den an den Vorgänger angelehnten und diesen teilweise übertreffenden magischen Bildern, viel Retro-Charme sowie einem soliden Cast, der jedoch viel Mühe hat die an Motiven überfrachtete und an Inhalt arme Handlung zusammenzuhalten.

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