Catch-22 (von Joseph Heller)

Yossarian ist ein amerikanischer Fliegerpilot, der während des zweiten Weltkriegs in Italien stationiert ist. Bereits kurz nach seinem Dienstantritt erlebt er durch den Tod eines Kameraden den Schrecken des Krieges. Seitdem verfolgt er ein einziges Ziel: Sich selbst mit heiler Haut aus diesem Krieg bringen. Der ersehnte Heimaturlaub ist jedoch in weiter Ferne, da Yossarians Vorgesetzter die Anzahl der für einen Urlaub notwendigen Angriffsflüge immer weiter verzögert, damit seine Einheit in den Augen der Generäle mit ihrem Einsatzeifer glänzt. Yossarian entdeckt jedoch die Sonderregel, das geisteskranke Soldaten aus dem Dienst entlassen und nach Hause geflogen werden. Bald findet er jedoch ebenfalls den Catch-22 hinter dieser Regel heraus: Jeder Mensch, der wünscht aus dem Kriegsdienst entlassen wird, beweist so viel gesunden Menschenverstand, dass er unmöglich geisteskrank sein kann. Da man aber explizit nach der Entlassung aus dem Dienst fragen muss, ist es unmöglich als geisteskrank den Dienst zu verlassen. Yossarian bleibt daher nichts anderes übrig, als sich regelmäßig neue Strategien auszudenken, um gefährliche Szenarien zu vermeiden.

„Catch-22“ ist nicht linear erzählt. Die Handlung springt immer wieder zwischen verschiedenen Zeitebenen. Mal wird ein gefallener Kamerad erwähnt und kurz darauf breitet das nächste Kapitel sein Schicksal aus. Das ist zunächst verwirrend. Doch bereits nach kurzer Weile entsteht dadurch ein komplexes Panorama vor den Augen der Leser. Yossarians Einheit sowie das gesamte amerikanische Lager, indem er sich befindet, ist von skurrilen Gestalten geprägt. Der Ton der Erzählung ist dabei in der Regel leicht, jeder Soldat und jeder Offizier ist in dem Krieg aus einem Ensemble der aberwitzigsten Motive. Dadurch entsteht eine doppelte Diskrepanz zu der grausamen, geschilderten Realität. Auf der einen Seite haben die Gründe der Soldaten, in den Krieg zu ziehen, nichts mit dem zu tun, was sie dort erwartet. Auf der anderen Seite steht der lakonische Ton vieler Abschnitte in keinem Verhältnis zu der sich im Hintergrund ständig abspielenden Gewalt.

Stück für Stück erwischt der Krieg nämlich die meisten von Yossarians Kameraden. In Hellers Werk ist Krieg eine absurde Veranstaltung, die bürokatisiert, entmenschlicht und von unfähigen oder brutalen Offizieren geführt wird. „Catch-22“ dekonstruiert daher nacheinander alle Ideale, vom Patriotismus bis zur Abenteuerlust, die gewöhnlich für Kriegsbegeisterung herhalten. Am schwersten sind dabei zwei von Heller herausgearbeitete Aspekte zu ertragen. Erstens verfolgen die Offiziere in der Regel ihre eigene Agenda, sei es ihre Beförderung oder ihre Lieblingsparaden. Der Kriegsverlauf interessiert sie irgendwie schon, wie viele Menschen dabei sterben in der Regel jedoch nicht. Das führt dazu, dass Katastrophen vor den Augen der Offiziere von denen oft nicht einmal wahrgenommen werden. Einer der brutalsten Charaktere ist Milo, der keine Situation auslässt, um Profit aus der Kriegsmaschinerie zu schlagen. Er führt einen Handel zwischen verschiedenen Flugplätzen ein, least dafür Flugzeuge der Armee und setzt diese am Ende gar gegen Bezahlung durch die Deutschen gegen die eigenen Truppen ein. Die Perversion kapitalistischer Kriegsgewinnler, im kleinen illustriert durch das Ersetzen von Fallschirmen mit „gleichwertigen“ Aktienpaketen und im großen illustriert durch Milos perverses System, beiden Seiten gegen eine Gebühr zur Seite zu stehen, ist erschreckend. Zumal Milo sein Handeln in butterweiche Worte packt und damit jeden Offizier und einen Großteil der Soldaten auf seine Seite zieht. Und so hat er einen großen Anteil daran, dass die meisten Figuren dieses Romans sterben.

Die komplexe Form des Romans erlaubt dem Leser so einen Einblick wie die Kriegsverwaltung aus soldatischer Sicht gesehen wird. Gleichzeitig ist die Banalität des Tötens und des Verschleißes aber auch die Banalität mit denen sich die vielen aufgrund ihrer Vorgesetzten zum Tod geweihten Soldaten von ihrer eigentlichen Betätigung ablenken erschreckend. Heller erschaft dabei viele skurrile Charaktere, die immer vor der Frage stehen, ob sie die eingeforderte Solidarität erbringen oder sich wie die meisten Kriegsgewinnler in erster Linie auf sich konzentrieren. Yossarians Verhalten, sich zunächst auf sich selbst zu konzentrieren, erscheint dabei angesichts des ineffizienten Wahnsinns inkompetente Befehle ausgesprochen verständlich. Teil „Catch-22s“ ist dabei, dass Yossarian dabei mit seinen geringen Mitteln durch Befehlsvermeidung seinen Teil zu dem Wahnsinn beiträgt und dabei gelegentlich genauso direkte Todesfälle unter seinen Kameraden herbeiführt wie die von ihm als verrückt und inkompetent identifizierten Offiziere. Die Kritik des Romans an der Sinnlosigkeit des Krieges an sich, der sträfliche Vernachlässigung der Pflicht jeder Militärorganisation, so viele (auch Soldaten)Leben wie möglich zu schützen und an den fehlenden Mechanismen, um selbstsüchtige und unfähige Taten zu verhindern, wird durch diese Ambivalenz der Hauptfigur verstärkt. „Catch-22“ hinterlässt so in den knappen, unterhaltsamen aber auch verstörenden Kapiteln Schauer und Ambivalenz und somit viel Material zum Nachdenken.

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