Schlechte Träume (von Pierre Christin & Jean-Claude Mézières / Valérian et Laureline Band 0)

(Die Besprechung beruht auf dem Comic „Les Mauvais Rêves“  in dem ersten Band der französischen Valérian-Gesamtausgabe.)

Die Menschheit befindet sich im 28. Jahrhundert in einem friedlichen Gleichgewicht. Die Mehrheit der Erdbevölkerung lebt glücklich in wunderbaren, virtuellen Träumen. Beschützt werden sie dabei von einigen Zeitagenten, die unter der Aufsicht von Technokraten darüber wachen, dass niemand die Zeitlinie und damit die Erde in Gefahr bringt. Die Handlung setzt mit einem Alarm ein: Die Träume verwandeln sich in schlechte Träume bzw. Albträume. Die Technokraten setzen ihren besten Agenten, Valérian, darauf an, die Ursache zu finden. Seine Ermittlungen decken bald auf, dass der Technokrat Xombul hinter der Angelegenheit steckt und einen mächtigen Zauberer im Jahr 1000 aufgesucht hat. Valérian reist ihm hinterher.

„Schlechte Träume“ startet mit einem interessanten Szenario. Der 1967 veröffentlichte Comic stellt sowohl die Passivität der Erdbevölkerung als auch die Technokraten in erster Linie als wünschenswert dar. Deswegen dreht sich Handlung darum, wie Valérian gegen Xombul dafür kämpft, dass die Menschheit weiterhin lethargisch ihren virtuellen Wünschen nacheifern kann. Aus heutiger Sicht wirkt nicht nur das Wort „Technokrat“ deutlich negativ belasteter als noch 1967, auch das Verlorensein in digitalen Welten erscheint angesichts weit verbreiteter Internetnutzung wie ein allzu realistisches Zukunftsszenario. In der französischen Gesamtausgabe ist ein kleiner Text enthalten, der den Start der Serie mit dem Ende der konservativen Präsidentschaft Charles de Gaulles in Verbindung setzt. Ist „Schlechte Träume“ also ein Zerrbild einer französischen Gesellschaft, die sich (kurz vor den Unruhen 1968) geradezu lethargisch gegenüber einer erstarrten Politik eines alternden Präsidenten verhält? Aus dieser Sicht zeigt „Schlechte Träume“ auf, wie fragil jedes vermeintliche Gleichgewicht ist und wie Selbstsicherheit und Passivität ohne aktives gesellschaftliches Handeln innerhalb kürzester Zeit in rohe Gewalt umschlagen kann. Gelernt wird daraus jedoch nichts: Nach Valérians Erfolg am Ende des Comics wird alles wieder in den Urzustand zurückversetzt.

Der Weg dorthin entfaltet sich wie ein klassisches Ritterabenteuer mit feministischer Note. Erst einmal ist es überzeugend, dass die Agenten (und rebellischen Technokraten) der Zukunft noch etwas von einem alten Magier aus dem beginnenden 11. Jahrhundert lernen können. Bei aller Technik stößt man eben dann an seine Grenzen, wenn man friedliche, träumende Menschen in brutale, die Galaxie zu dominieren wünschende Monster verwandeln möchte. Da hilft nur Magie. Dieser Widerspruch aus steriler Zukunftsversion und wuseligem Mittelalter ist sehr überzeugend. Noch überzeugender sind die Szenen, in denen das wuselige Mittelalter über die Zukunft einbricht. Die Geschichte selbst, in der Xombul der Menschheit wieder die Gewalt nahe bringen möchte, basiert auf einer guten Grundidee, die letztlich jedoch hinter der Last, das gesamte Setting der Serie einzuführen, etwas zurückstehen muss.

Trotz der Zeitsprünge ist die Handlung relativ gradlinig. Valérian wird in der Vergangenheit von Laureline gerettet, gemeinsam werden sie von dem Schurken Xombul gefangen gesetzt, können knapp entkommen und legen dem Technokraten in der Zukunft das Handwerk. Das ist vor allem unterhaltsam, da Laureline eine selbstständige und vor allem selbstbewusste Protagonistin ist. Das ist nicht bei jedem Comic-Begleiter der Fall. Hier wird jedoch bereits im ersten Band deutlich gemacht, dass Valérian ohne Laureline keine Chance gehabt hätte. In „Schlechte Träume“ wirkt der Charakter Laureline dadurch auch lebendiger und vielseitiger als Valérian, der hier „lediglich“ der Superagent ist als der er vorgestellt wird und der dennoch in mehreren Momenten scheitert. Die Autoren führen zudem eine Lernmaschine ein, die es erlaubt, Laureline innerhalb kürzester Zeit alles menschliche Wissen zwischen dem 11. und dem 28. Jahrhundert zu vermitteln. Während dies eine Lösung ist, erscheint es schade, dass weder Laurelines Motivation, in die Zukunft zu reisen, noch ihre Reaktion auf all das neu erworbene Wissen thematisiert werden. Sie stellt am Ende lediglich fest, dass die Hauptstadt der Erde im 28. Jahrhundert ohne Xomubls Monsterhorden richtig schön sei.

Abgesehen von diesem Punkt ist „Schlechte Träume“ ein gradliniger Einstieg, der die beiden Protagonisten der Serie gut einführt, eine nachdenklich, lustige Verbindung zwischen dem 11. und 28. Jahrhundert zieht und vor allem das Potenzial des Settings herausarbeitet. Damit macht der Band Lust auf weitere Abenteuer.

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