Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen

Der dunkle Zauberer Grindelwald ist aus seinem Gefängnis ausgebrochen und treibt nun in Paris sein Unwesen. Das britische Zaubereiministerium vermutet, dass er den jungen Credence für seine Zwecke einspannen möchte. Sie hoffen, dass Newt Scamander, der mit Credence vertraut ist, den Jungen ausschaltet, um seine Reisegenehmigung zurückzuerlangen. Doch Newt weigert sich. Bald steht er jedoch vor einem Dilemma: Dumbledore wünscht, dass Newt Credence vor Grindelwald beschützt und außerdem erfährt Newt durch den Amerikaner Jacob, dass Newts Angebetete, Tina, sich ebenfalls als Aurorin in Paris aufhält. Gemeinsam machen sich Newt und Jacob auf den Weg nach Paris (Jacobs Partnerin Queenie befindet sich ebenfalls dort), um ihre Geliebten zurückzuerobern. Im Weg stehen allerdings Grindelwald und dessen Pläne, die sich längst nicht nur auf Credence beschränken, sondern auch die Lestrange Familie, vor allem in Form von Leta, der Verlobten von Newts Bruder Theseus, sowie auf Dumbledore und die magische Gemeinschaft im Allgemeinen.

Was war die Stärke des ersten Films des „Harry Potter“-Prequels? „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ hatte eine kohärente, dem Zuschauer aber noch unbekannte Handlung, ein fokussiertes, durchaus sympathisches Ensemble und baute in Verbindung mit New York, der restriktiven amerikanischen Zaubereigesellschaft dort sowie einigen Horrorelementen viel Spannung auf. Das konnte über eine Reihe eigenwilliger Charakterinterpretationen, allen voran Newt und Credences eintönige Körperhaltung in Verbindung mit hingenuschelten Sätzen, hinwegtrösten. Der zweite Teil der Reihe „Grindelwalds Verbrechen“ lässt alles hinter sich: Die Handlung is ausufernd, das Ensemble so aufgebläht, dass das Individuum kaum noch zählt und die Atmosphäre auf der Strecke bleibt.

Denn der Film weiß zunächst einmal gar nicht, wo die Reise eigentlich hingehen soll. Erleben wir in „Grindelwalds Verbrechen“ die französische magische Gemeinschaft? Verfolgen wir hier nicht weniger als vier Liebesbeziehungen? Geht es um den Aufstieg des Faschismus innerhalb der magischen Gemeinschaft? Oder dann doch wieder um den Meisterstrategen Dumbledore bzw. Newts kleine (und große) Tierwesen? „Grindelwalds Verbrechen“ versucht all diese Aspekte in einem großen und streckenweise brutalen Actionfeuerwerk unter einen Hut zu bringen. Dadurch laufen gefühlt dutzende Handlungsstränge parallel, ohne dass irgendwann einmal befriedigende Ereignisse geschehen.

Denn dem Film gelingt es durch die Überfrachtung nicht, irgendeinen Handlungsstrang vernünftig zu erzählen. Die Liebesmomente werden allenfalls am Rande abgehakt, die Motive der Protagonisten bleiben völlig unklar. Warum folgen hunderte Zauberer Grindelwald in den Faschismus? Ist es tatsächlich das Gefühl, durch die engen Regeln der Gesellschaft unterdrückt zu werden; geht es ihnen also um Freiheit? Oder sind sie doch einfach nur rassistisch? Was ist eigentlich Dumbledores genialer Plan, mit dem er mal wieder – wie in Harry Potter – einen großen Haufen Bauern(opfer) in die Schlacht schickt? Die französische Zauberergesellschaft wird geradezu ignoriert, die Motive der Protagonisten wiederum wackeln irgendwo zwischen Liebe, Ehre und Bräsigkeit hin und her. Die wenigen spannenden Momente, in denen sich Charaktere zwischen den Seiten entscheiden müssen, werden so stümperhaft abgearbeitet, dass nicht einmal klar ist, warum irgendjemand die Seiten wechselt. Dazwischen bringt Grindelwald mal Anhänger um, mal schnappt er sich Leute der anderen Seite. Ein gutes Beispiel für die Alberenheit weiter Teile der Handlung ist das Finale: Am Höhepunkt der Handlung schickt Grindelwald nach einer Massenveranstaltung seine Anhänger in die Welt, um von dem Tod einer seiner Anhängerinnen durch die Hand eines Aurors zu berichten. Die Gewalt, das ist die Botschaft, gehe nicht von seiner Seite aus. Das ist ein starker Moment, der erklären könnte, warum Grindelwald so viele Anhänger zulaufen – das gegen die Zaubereiministerien gerichtete Freiheitsargument wirkt hier sehr stark. Danach tötet er jedoch alle Auroren, die sich ihm nicht anschließen wollen und versucht Paris komplett zu zerstören. Und so wird eine beinahe gelungene Szene in einem Strudel aus (albernen) blauen und roten Flammen, die die Handlung wieder auf den Konflikt zwischen Gut und Böse reduzieren, beerdigt.

Dazwischen laufen Newt und Credence weiterhin nuschelnd und getrieben durch die Handlung. Beide sind auf der Suche nach Zusammenhängen, machen dabei aber eigentlich keine Fortschritte. Grindelwald bleibt über den Verlauf des Films ein eindimensionaler Bösewicht. Die Handlung bemüht sich zwar, das etwas anders erscheinen zu lassen. Da ihm aber jedweder Hintergrund fehlt, ist er hier der faschistische Verführer, der mit ein wenig Redebegabung, vielen Tricks und einer großen Menge Brutalität die Massen für sich begeistert. Dumbledore wiederum ist der einzige Charakter, der für eine Weile so etwas wie Ambivalenz zugestanden wird. Das beschränkt sich jedoch leider auf die Frage, warum er keine aktivere Rolle gegen Grindelwald einnimmt. Das wird am Ende oberflächlich geklärt. Dabei wird hier aber leider noch weniger als in den „Harry Potter“-Teilen deutlich, was seine strategischen Tricks eigentlich bewirken sollen. Warum schickt er Newt eigentlich nach Paris? Warum gibt er ihm nicht mehr Informationen? Was in „Harry Potter“ im Umgang mit einem Teenager irgendwo noch Sinn machte, ist angesichts des erwachsenen Newts albern.

„Grindelwalds Verbrechen“ wird daher nie zu einer überzeugenden Einheit, sondern stolpert von einem Handlungsloch ins Nächste. Dazwischen befindet sich angesichts der vielen Handlungsstränge viel ungenutztes Potenzial, aber auch eine Reihe funktionierender Einzelszenen: Mal haben Newt und Tina einen gelungenen Moment, mal wird Leta eine überzeugende Jugendszene gegönnt oder eine Actionszene ist überraschend einprägend. „Grindelwalds Verbrechen“ bietet daher durchaus nette Unterhaltung, starke Einzelbilder – so lange man ganz bewusst den Überblick in dem Chaos verliert und sich nicht an dem Sinn der Handlung aufhängt.

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