Handicap 55 (ARD Radiotatort)

Eine Krankenpflegerin wird ermordet aufgefunden. Die Ermittlungen führt das Team um Nina Brändle und Xaver Finkbeiner rasch in das Altenheim, indem die Tote arbeitete. Hier dreht sich trotz eines kirchlichen Trägers mittlerweile alles um die Profitmaximierung. Dem scheint auch Lotte Remmert zum Opfer zu fallen: Obwohl ihr Mann ihr ein stattliches Vermögen hinterlassen hat, ist ihr Konto überschuldet. War die Pflege zu teuer? Oder hat sich ihre nun ermordete Krankenschwester an ihrem Konto bedient? Doch da die alte Dame zu einem Mord nicht in der Lage ist, stehen die Ermittler im Dunkeln.

Der Stuttgarter Radiotatort wird durch einen völlig unnötigen Konflikt innerhalb des Teams überschattet. Xaver Finkbeiner fügt dem Team, ohne dies mit Nina Brändle abzusprechen, die junge Constanze Früh hinzu. Kurz darauf entbrennt ein Zickenkrieg, der alles andere als unterhaltsam ist. Er wirkt nicht einmal besonders überzeugend. Denn Nina Brändle tritt in der Regel als äußerst souveräne Kommissarin auf, wird hier aber auf eine eifersüchtige und rasch in ihren Gefühlen verletzte Frau reduziert. Natürlich kann man die Emotionen der Kommissare thematisieren, aber das sollte glaubwürdig und ohne absurde Schreiorgien ablaufen.

Der Fall selbst überzeugt hingegen auf ganzer Linie. Er spielt mit den Hoffnungen der Menschen in verschiedensten Lebensabschnitten. Das Ensemble besteht aus einer Rentnerin, einer Krankenpflegerin, einem Trinker, einem Asylanten sowie einem Arbeitslosen. Sie alle führen ein Leben, in dem sie auf einen radikalen Wechsel hoffen, der höchstwahrscheinlich nie kommt. Obwohl der Zuschauer rasch darauf kommt, dass der Mord in irgendeiner Weise mit dem verschwundenen Vermögen Lotte Remmerts zu tun hat, werden die Hintergründe erst sehr spät deutlich. Dadurch baut der Tatort nicht nur Spannung auf. Anders als in manch anderer Episode, gelingt es „Handicap 55“ im Fall genau die verzweifelten Emotionen aufzubauen, die der alberne Streit zwischen den Kommissaren nicht erzeugen kann.

„Handicap 55“ ist ein Drama über Träume, die zu Straftaten und Affekthandlungen führen. Auf dem Weg erlebt der Zuhörer eine Reihe verletzter Menschen, die in einem spannenden und unterhaltsamen Handlungsfluss nur von den (leider) nervigen polizeilichen Differenzen gestört werden.

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