Fifty Shades of Grays (von Steven Barnes)

Carver Kofax arbeitet für die Marketingagentur Stein und Baker. Zusammen mit seiner Kollegin Rhoanda erhält er einen äußerst ungewöhnlichen Auftrag in einem Wettbewerb: Sie sollen das Bild einer äußerst hässlichen Alienspezies attraktiv für Menschen machen. Die beiden halten dies für ein Scherz, beginnen während des Auftrags eine Affäre und sind bestürzt als sie tatsächlich ausgewählt werden, eine Kampagne zu entwickeln. Es stellt sich heraus, dass die Aliens tatsächlich existieren. Sie haben sich friedlich an die Regierungen der Erde gewandt und bieten Technologie im Austausch für gelegentlichen Geschlechtsverkehr mit interessierten Menschen an. Dafür müssen sich Menschen aber von den Aliens sexuell angesprochen fühlen. Carver und Rhoanda machen sich an den Auftrag, bald darauf leben die Aliens unter den Menschen und ein neues, technologisch fortgeschrittenes Zeitalter bricht an. Carver merkt jedoch rasch, dass die Angelegenheit einen Haken hatte: Die Menschen haben immer weniger Sex miteinander und die Geburtenrate fällt extrem. Hat Carver am Ende einem der absurdesten Invasionsszenarien zum Erfolg verholfen?

Die Geschichte wird getragen von der Intensität der Stimme Carvers. Er beschreibt einen Großteil der Geschichte in Rückblenden kurz vor seiner „Hinrichtung“. Die Erzählung beginnt dadurch mit der unterhaltsamen, durch den Ton Carvers jedoch etwas schaurigen Bewerbung mit Rhoanda um den Job. Die Beziehung der beiden erscheint ausgesprochen authentisch und so erzählt Barnes den Niedergang menschlicher Verhältnisse an dem Beispiel seiner beiden Hauptfiguren. Das ist sehr überzeugend, da man auf diese Art miterlebt, wie schnell Nähe durch Kontakt mit den Aliens in atomisiertes Einzelgängertum umschlagen kann.

Die Aliens bleiben dabei weitestgehend mysteriös im Hintergrund. Das ist gut. Indem ihre Motive nie ganz erklärt werden, wird deutlich, dass Menschen die Motivation für eine Invasion vielleicht gar nicht richtig einschätzen können. In diesem Fall scheint es den Aliens in erster Linie um Unterhaltung zu gehen. Sie finden nicht nur den Sex mit Menschen, sondern auch die Interaktion und das Beobachten derselben äußerst belustigend. Dass die Spezies Mensch sich dadurch selbst dezimiert, ist ihnen relativ egal. Sie versichern Carver am Ende sogar, dass die Menschheit niemals ganz aussterben werde, dafür sei sie viel zu unterhaltsam. Die Menschheit macht die Erde dadurch selbst zu einem Vergnügungspark für die Aliens. Dieses Szenario haben Politiker und Militärs selbstverständlich nicht in Betracht gezogen.

Die Kurzgeschichte lässt den Leser aber auch etwas über die Kraft der PR und des Marketing nachdenken. Die erste Reaktion der Menschheit auf die Aliens (wie auch auf viele beworbene Produkte) ist erst einmal ablehnend. „Fifty Shades of Grays“ ist daher auch eine dezente Warnung über die Kraft der (nicht nur amerikanischen) Marketingindustrie, der es gelingt nicht nur Schrott, sondern auch makro-ökonomisch gefährliche Produkte massenhaft unter die Leute zu bringen. In diesem Fall steht am Ende dieses Prozess das Ende der Menschheit als unabhängige Gemeinschaft. In der Realität fällt einem der Klimawandel als ähnliches Beispiel an, in dem die Menschheit durch ihren Konsum sich der eigenen Lebensgrundlage beraubt.

„Fifty Shades of Grays“ überzeugt somit durch seine starke Charakterstimme, das ungewöhnliche Invasionsszenario und die ausgelöste Reflexion über die Werbeindustrie.

Die Kurzgeschichte „Fifty Shades of Grays“ von Steven Barnes ist 2016 im „Lightspeed„-Magazin erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Year’s Best Science Fiction (34. Annual Collection)“, herausgegeben von Gardener Dozois. 

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