Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm

1928 wird die Uraufführung der Dreigroschenoper ein unerwarteter Erfolg, die den Autoren Brecht und den Komponisten Weil berühmt macht. Der Theatererfolg inspiriert bald darauf ein Filmprojekt. Brecht sichert sich weitreichende Mitspracherechte. „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ erzählt aus dieser Perspektive (a) was aus Brechts letztlich gescheitertem Projekt hätte werden können, (b) wie ein Film der Dreigroschenoper modernisiert enden könnte, (c) wie Brecht den Prozess gegen seinen späteren Ausschluss aus den Dreharbeiten führte und (d) die grobe Rahmenhandlung der Dreigroschenoper inklusive der meisten ihrer Lieder.

Dieser Mix, der dem Zuschauer gleichzeitig die Dreigroschenoper näher bringt, den Prozess um ihre Verfilmung inszeniert sowie Gedanken über eine Verfilmung Brechts z.T. in heutigen Zeiten präsentiert, ist zügig, bildstark und geradezu farbenfroh in Szene gesetzt. Die Handlungabschnitte wechseln nach kurzen Szenen, der Zuschauer wird – ganz wie es sich Brecht vielleicht gewünscht hätte – ständig aus einem Handlungsstrang herausgerissen, um einem anderen Gedanken zu folgen. Die Orte wie die Kostüme wirken überzeichnet und doch dem Vorhaben entsprechend authentisch, Brecht spricht ausschließlich in Zitaten seiner selbst. Das wirk ausgesprochen gestellt, verstärkt aber immerhin den distanzierten und gleichzeitig temporeichen Charakter des Films. Dies ist eine eigenartige Mischung, der man fasziniert zuschaut.

Die vier Aspekte drohen den Film in einigen Situationen zu überwältigen. Bereits die Dreigroschenoper enthält viele interessante Überlegungen, „Mackie Messer“ greift nicht nur diese Aspekte auf. Der Film versucht zudem sie zu modernisieren, sie in Zusammenhang mit dem Leben Brechts, dessen persönliche Schwächen sowie dem Aufstieg der Nazis zu stellen. All das lässt den Film niemals zur Ruhe kommen, viele aufgeworfene Themen erscheinen allenfalls angerissen. Und gleichzeitig liegt darin auch eine gewisse Stärke. Das Erzähltempo ist enorm hoch, die Vorgänge erfordern permanentes Mitdenken bei gleichzeitig hohem Unterhaltungsfaktor. Die Verbindung um die Kämpfe für einen anspruchsvollen Dreigroschenoperfilm und den schier unaufhaltsamen Aufstieg der Nazis drängt die Frage, wie viel „stumpfe“ Unterhaltung im Angesichts ernster Bedrohungen der Demokratie eigentlich erträglich sind. Mit den aufgesetzten aber durch den Zitatcharakter authentischen Brecht-Sprüchen, die eine permanente Freude an der Provokation illustrieren, stellt sich dadurch die Frage, an welchen Stellen im Zeitalter der permanenten, platten und oft populistischen öffentlichen Erregtheit die intellektuelle Provokation noch notwendig und überhaupt möglich ist.

„Mackie Messer“ ist dank extravaganter Inszenierung große Unterhaltung, durch die vielen (wenn auch teilweise unschön geschnittenen) Songs der Dreigroschenoper sowie die vielen Handlungsebenen temporeich und mitreißend und an den besten Stellen trotz allen Trubels eindringlich nachdenklich. An einigen Stellen ist nicht ganz klar, ob man selbst gerade von der Handlung überwältigt ist oder ob der Film von seiner eigenen Verschachtelung überwältigt wird. So bleibt hier – wie einst in der Realität – alles unfertig: Die Geschichte des Prozesses, Brechts Leben aber auch die Handlung der Dreigroschenoper selbst und deren Modernisierung, alles bleibt im Film unvollendet. Das regt das Interesse an weiteren Hintergründen an und ist in jeder Szene unterhaltsam-anregend. Es hinterlässt aber auch den Eindruck, das Material hätte für mehrere Filme gereicht.

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