The City Born Great (von N. K. Jemisin)

Ein namenloser obdachloser, schwuler, junger Mann wird von Paulo in New York regelmäßig zum Essen eingeladen. Paulo ist sich sicher, dass seine Essensbegleitung auserwählt ist. Denn wenn Städte eine gewisse Größe erreichen, erwachen sie selbst zum Leben. In dieser Situation bedarf es eines Vertreters der Stadt, der den Geburtsprozess begleitet und gegen mögliche Feinde abschirmt. Der Protagonist der Handlung ist zunächst skeptisch, tut diese Aussagen als Gefasel ab. Doch im Laufe der Geschichte ändert sich sein Blickwinkel: Er hört der Stadt dabei zu, wie sie ihre ersten Atemzüge tätigt. Und bald erkennt er, dass sich Feinde der Stadt nähern, die er nur mithilfe der verschiedenen Viertel abwehren kann.

„The City Born Great“ ist sehr mit ihrem Handlungsort New York verbunden. Hier werden unzählige Orte und Viertel dieser Metropole benannt, besucht und mit der Handlung verflochten. Für Ortsunkundige wird das rasch unübersichtlich. Dabei startet die Kurzgeschichte enorm bodenständig. Die Stimme des namenlosen Protagonisten ist sehr authentisch. Die Furcht vor der Polizei, die ihn wegen seiner Hautfarbe besonders gründlich kontrolliert, die abwertenden Blicke seiner Umgebung sowie die abgeklärte Gedankenwelt erschaffen einen eindringlichen Einblick in das Obdachlosendasein eines noch immer von (Polizei)Rassismus geprägten New Yorks.

Nach diesem bodenständigen, mit dem Gerede über das Atmen der Stadt jedoch bereits mysteriösen Start, nimmt die Handlung ab der Hälfte sehr schnell Fahrt in Richtung fantastischerer Aspekte auf. Nachdem er Protagonist seine Rolle akzeptiert hat – es geht ihm nicht um sein eigenes Leben, für die Stadt, die er trotz aller Nachteile jedoch verehrt, ist er hingegen durchaus bereits zu kämpfen – beginnt die Verteidigung New Yorks. Dieser Aspekt ist, womöglich auch aufgrund der vielen Lovecraft- und New York-Anspielungen, etwas verwirrend.

Ein interessanter Gedanke versteckt sich in einem Kommentar Jemisins zu der Geschichte, der in der Anthologie „The best American Science Fiction and Fantasy 2017“ enthalten ist. Schauergeschichten leben von den Ängsten ihrer Protagonisten, wie zum Beispiel den Ängsten, dass Monster aus dem Nichts auftauchen und Personen oder wie hier Städte angreifen. Diese Ängste werden in der Regel jedoch von Menschen empfunden, die sich objektiv gar keine Sorgen um ihr Leben machen müssen. Schließlich sind sie sozial anerkannt und vor allem materiell abgesichert. Häufig fürchten sie sich aber gerade vor denjenigen, deren Leben keineswegs so abgesichert ist wie z.B. Einwanderer oder Minderheiten. Diese wiederum lassen sich häufig weniger von ihren Ängsten leiten. Diese Situation dreht Jemisin um. Und tatsächlich ist der stärkste Moment der Kurzgeschichte die abgeklärte Gedankenwelt des Protagonisten, die sich in Paulos Verwunderung darüber, dass der Protagonist gar nicht um sein Leben fürchtet, manifestiert. Der Protagonist erhofft sich (auch aufgrund seiner schwierigen Herkunft) nur (noch) wenig vom Leben. Da er wenig für sich selbst erwartet, ist er erst begeistert bei der Sache, als es um mehr, nämlich um die Stadt geht. Dieser Gedanke über die Verbindung von Angst, Einsatz und sozialer Ausgrenzung, ist sehr interessant.

„The City Born Great“ ist dadurch alles in allem eine interessante Geschichte, die vor allem mit ihrer atmosphärisch dichten ersten Hälfte und der sehr starken Erzählperspektive überzeugt. Die Fantasy-Handlung fällt demgegenüber etwas schwächer und teilweise verwirrender aus.

Die Kurzgeschichte „The City Born Great“ von N.K. Jamisin ist 2016 auf „tor.com“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2017“, herausgegeben von Charles Yu und John Joseph Adam.

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