The Future is Blue (von Catherynne M. Valente)

Tetley Abedngo lebt in Garbagetown und liebt den Ort. Gleichzeitig haben alle Bewohner der Stadt einen Freifahrtschein, die junge Frau zu misshandeln. Tetley akzeptiert diese Tatsache und bedankt sich nach jeder Misshandlung. Aus der Sicht der Bewohner Garbagetowns hat sie unermessliche Schuld auf sich geladen. In Rückblenden erfährt der Leser über Tetleys Kindheit, die enge Bindung zu ihrem Bruder und ihr Verbrechen.

„The Future is Blue“ ist eine sehr clever konstruierte Kurzgeschichte. Die regelmäßigen Demütigungsszenen gehen unter die Haut, die Mischung aus Gleichgültigkeit und Schuldbewusstsein, die Tetley zeigt, verstört. Zwischen diesen brutalen Momenten erfährt man aus Tetley mehr über Garbagetown, die merkwürdigen Traditionen dieser apokalyptischen Stadt und Tetleys Tat. Das ist spannend und vor allem atmosphärisch enorm dicht.

Denn Garbagetown ist eine Stadt auf Plastik. Die Menschheit hat es scheinbar nicht geschafft, den Klimawandel aufzuhalten. Die meisten Teile der Erde sind überflutet, alles ist scheinbar so übel, dass es kaum noch Landgegenden gibt, von denen die Bewohner der auf Plastik schwimmenden Städte wissen. Als Ressourcen sind nur noch die Überbleibsel der Vergangenheit übrig geblieben. So wird zum Beispiel aus alten Batterien noch Restenergie gewonnen und alte Kaugummis weiter verwertet. Während dies alles schrecklich erscheint, beschreibt Tetley diese Stadt wie ein Simplicissimus in den höchsten, lobenden Tönen. Aus ihrer Sicht erfährt man die Beschreibung ihres unterkühlten Verhältnis zu ihren Eltern, ihre erste Liebe und zuletzt die Erfahrungen, die sie dazu verleiten, das Energie produzierende Viertel der Stadt zu sprengen.

Denn auch in der Zukunft gibt es populistische Scharlatane. Diese machen Geld mit den kühnsten Versprechungen. Als Tetleys Bruder auf das Versprechen reinfällt, dass ihn eine Gruppe Gaukler zu den letzten verbliebenen Landmassen der Erde führen können, zieht Tetley die Reißleine. Für sie ist klar, dass die Fahrt Garbagetowns auf solch eine Suche verhindert werden muss. Von den Ressourcen der Stadt könne man noch gute 100 Jahre leben, während die Suche nach Land womöglich ins Nichts führt und die Ressourcen früher aufbraucht. Tetley glaubt also, Gewalt sei notwendig, um ihre Heimat und ihre Gemeinschaft zu retten.

Diese Überraschung am Ende der Erzählung ist so bewegend wie beklemmend. Denn aus Tetleys Sicht macht ihre brutale Tat Sinn. Durch die vielen Demütigungen hat man unweigerlich Mitleid mit ihr. Allerdings ist die Tat zudem äußerst brutal und entspricht politischem Terrorismus. Valente lässt den Leser somit mit einem berührenden Bild einer apokalyptischen, schwimmenden Plastikstadt zurück, in der sie eine authentische, kühle Zukunftsgesellschaft geschaffen hat, die von ihren Protagonisten dennoch als Heimat geliebt wird, für die sie alles gewillt sind zu tun. Dieses vielschichtige, verstörende Bild über eine drohende, negative Zukunft sowie die fatalen Konsequenzen sowohl von Populismus als auch radikaler Gegenreaktionen sind packend, eindringlich und geben dem Leser eine Vielzahl an Gedanken und Fragen auf den Weg.

Die Kurzgeschichte „The Future is Blue“ von Catherynne M. Valente ist 2016 in der von Jonathan Strahan herausgegebenen Anthologie „Drowned Worlds“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2017“, herausgegeben von Charles Yu und John Joseph Adam.

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