Wut (ARD-Radiotatort)

In Berlin kommt es in einem gentrifizierten Viertel wiederholt zu Säureanschlägen. Die Presse macht schnell ein naheliegendes Flüchtlingsheim für die Attacken verantwortlich, im Kiez formiert sich eine Bürgerwehr. Die Fallanalytiker der Polizei glauben jedoch eher, dass es sich um eine gescheiterte Existenz handelt, die sich das Leben im immer teurer werdenden Viertel nicht mehr leisten konnte. Nachdem die Kommissare Polanski und Lehmann keine Spuren zutage fördern, entscheidet sich die Polizistin Jule, sich als Lockvogel anzubieten.

„Wut“ ist ein beklemmender, klaustrophobischer und tatsächlich wütender Radiotatort. Wut empfindet zunächst einmal der Täter, der mit seiner Existenz in diesem Berliner Kiez gescheitert ist. Doch auch die Polizei empfindet hier Wut. Jule ist zum Beispiel verständlicherweise verärgert, dass mehrere Säureattacken als Bagetelldelikte abgetan wurden. Polanski wiederum ist verärgert, dass umgehend Flüchtlinge als potenzielle Täter ausgemacht werden. Klaustrophobisch wird der Tatort durch die Grausamkeit der (unerwarteten) Tat, aber auch durch die lauten Einspieler, die zwischendrin immer wieder wütende Szenen aus einer immer emotionaleren Gesellschaft einblenden.  Diese reißerische Atmosphäre passt sehr gut zu den brutalen, auf die Vernichtung von Individuen zielenden Taten.

Teilweise verliert der Tatort jedoch seinen Fokus. In einer Nebenhandlung muss sich Polanski um seinen schwer erkrankten Vater kümmern. Das ist alles andere als einfach, denn Polanski hat in der Vergangenheit jeden Kontakt zu seinem Vater abgebrochen. Nun steht er vor einem todkranken Mann, der noch immer seinen Zorn gegen alles Fremde auslebt und weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Also greift er zum Alkohol. Dieser Handlungsstrang nimmt beinahe so viel Platz wie die Haupthandlung ein, ohne aber zu irgendeinem überzeugenden Ende zu kommen. Letztlich nimmt sich Polanski in der Angelegenheit auf tragische Art selbst aus dem Spiel. Hier hätte man einen konsequenteren Schluss erwartet.

Ales in allem überzeugt „Wut“ daher mit seiner gruseligen Atmosphäre, in der man nicht nur die Wut der Polizisten nachvollziehen kann, sondern zudem Säureattacken an jeder Ecke fürchtet. Das Motiv des Täters ist gelungen herausgearbeitet. Die bemüht emotionale Nebenhandlung hätte man getrost weglassen können: „Wut“s Haupthandlung trägt die Episode allein.

 

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