Der Schwalbenturm (von Andrzej Sapkowski)

Ciri wurde von Geralt und Yennefer getrennt und schloss sich in ihrer Not einer Räubergruppe an. Die hat in Nilfgaard viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und wird brutal gejagt. Als einziges Mitglied gelingt Ciri die Flucht, doch sie wird von brutlüstigen Kopfgeldjägern verfolgt. Ein ähnliches Schicksal droht dem Hexer Geralt und seinen Gefährten. Mit Mühe sind sie der Armee, der sie sich anschließen mussten, entkommen. Doch schon sind ihnen weitere Verfolger, darunter ein mysteriöser Halbelf auf den Fersen. Yennefer kann derweil nicht mehr auf die Hilfe anderer Magierinnen vertrauen. Doch bei ihren Untersuchungen stößt sie auf einen alten Bekannten und wird gefangen gesetzt.

„Der Schwalbenturm“ ist der sechste Roman aus dem „Hexer“-Universum und der vierte und vorletzte Teil einer Trilogie. Kurz vor dem großen Finale sind die Stärken Sapkowskis Erzählungen auf einem Höhepunkt angekommen. Wieder geschehen die meisten Ereignisse im Hintergrund. Spannung wird durch grandiose Unterhaltungen und Auseinandersetzungen zwischen den Protagonisten aufgebaut. Diesmal ist die Erzählstruktur noch ein Stück komplizierter. Denn der Schwerpunkt der Handlung, Ciris Schicksal, wird in Rückblenden aus mehreren Perspektiven erzählt. Das blutige Ende Ciris Räuberbande, ihre Entdeckung der eigenen Kräfte sowie ihre brutale Folter durch sadistische Kopfgeldjäger erfährt der Leser sowohl aus ihrer Sicht an einem Lagerfeuer als auch aus bisher unbekannten Blickwinkeln Nilfgaarder Einwohner. Das dadurch entstehende Bild ist extrem eindringlich und treibt den Roman voran.

Geralts Erlebnisse wiederum sind wie eh und je sehr linear geschildert. Er wird von Schergen verfolgt und erkennt immer mehr, dass er Ciri in seiner Position nicht helfen kann. Daraus entsteht ein sehr interessanter Lernprozess. Verschiedene Ereignisse, von dem Verlust seines Hexer-Amuletts bis hin zu einer Prüfung durch die Geschöpfe, die er jahrzehntelang gejagt hat, entfernt sich Geralt immer weiter von seiner Hexer-Profession. Am Ende erkennt er, dass er auf seiner Reise, durch sein Mitgefühle für Ciri sowie seine Freundschaft zu seinen Gefährten, aufgehört hat, ein Hexer zu sein. Dieser Handlungsstrang nimmt deutlich weniger Platz als Ciris Geschichte ein, ist aber in seiner Charakterentwicklung genau so beeindruckend und spannend.

Yennefer wiederum erhält nur sehr wenig Platz im Roman. Ihr Charakter, der bisher deutlich im Hintergrund stand, nimmt ebenfalls mehr Formen an. Sie hat sich ebenfalls der Rettung Ciris verschrieben. Ihre Methode ist gradlinig und skrupellos. Natürlich macht genau dies ihr Vorgehen besonders unterhaltsam. In einer zugespitzten Unterhaltung mit anderen Magierinnen erfährt man weitere Nuancen über Yennefers komplizierte Persönlichkeit. Dadurch leidet man bei ihrer abschließenden Gefangennahme stärker mit. Ein weiteres Highlight des Romans ist eine exzentrische Unterhaltung zwischen einem nordischen König und einem Spion über die Möglichkeit einer Allianz gegen das immer weiter vorrückende Nilfgaard. Die Unterhaltung ist in ihrer Mehrdeutigkeit sehr gelungen und macht die bereits sehr lebendige „Hexer“-Welt noch etwas reicher.

Auf den ersten Blick bringt „Der Schwalbenturm“ also „nur“ alle relevanten Akteure in die notwendige Position für das große Finale in „Die Dame vom See“. Mit diesem Urteil täte man dem Werk aber großes Unrecht. Denn „Der Schwalbenturm“ erlaubt jedem Hauptcharakter einen nennenswerten Entwicklungsschritt, ist eindringlich und spannend und bereichert die Welt des Hexers mit noch mehr Orten, politischen Intrigen und mystischen Vorgängen. Alles in allem erreicht „Der Schwalbenturm“ eine weitere qualitative Steigerung einer bereits zuvor grandiosen Reihe.

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