Ready Player One (von Ernest Cline)

2044 ist die Erde ein dunklerer Ort. Fossile Energieträger sind aufgebraucht, Kriege sind keine Seltenheit und die meisten Menschen entfliehen der tristen Realität, indem sie sich in der Computersimulation OASIS aufhalten. Der Erfinder dieser allumfassenden Simulation, James Holliday, hat mit seinem Tod einen Wettbewerb ausgerufen: Wer als Erster drei Rätsel lösen kann, erbt das Unternehmen der Simulation und wird dadurch zum reichsten Mann der Welt. Wade Watts lebt in ärmlichsten Verhältnissen und kann sich den Zugang zu OASIS nur knapp finanzieren. Wie viele andere träumt er davon, die Rätsel zu lösen – obwohl seit der Ankündigung fünf Jahre zuvor niemand irgendwelche Fortschritte erzielt hat. Eines Tages erzielt er im Lateinunterricht einen Durchbruch. Dadurch erhöht sich das Tempo der Jagd beträchtlich. Im Verlauf muss Wade sich gegen den mächtigen IOI Konzern zur Wehr setzen. Da diesem nur noch OASIS fehlt, um die Wirtschaft der Welt zu konzentrieren, schreckt IOI vor nichts, auch nicht vor Mord, zurück.

„Ready Player One“ ist eine Hommage an die Popkultur der 80er Jahre sowie die frühe Videospielkultur. Für Holliday war dieses Jahrzehnt das inspirierendste und so hinterließ er als Hinweise lediglich ein ausuferndes Kompendium an Anspielungen an Filme, Serien, Spiele und Musik dieser Zeit. Die „Gunters“, die Jäger der Rätsel, studieren daher in erster Linie die Produkte dieser Zeit sowie alle Nachlässe Hollidays. Cline gelingt es, dass die dichten Referenzen niemals deplatziert oder konstruiert wirken. Jeder Verweis trägt etwas zur Handlung oder dem Hintergrund des legendären Hollidays bei. Gleichzeitig wird jedes Produkt aus der Sicht Wades bewertet – in der Regel mit einer enthusiastisch positiven Bewertung. Gerade im Vergleich zu der brutalen und düsteren Lage der Welt in „Ready Player One“, schafft dieser Aspekt der Handlung positive Atmosphäre.

Dennoch würde dies nicht überzeugen, könnte der Roman keine überzeugende Handlung aufweisen. Wade gehört zu den „Gunters“, die alleine nach der Lösung des Rätsels suchen. Zwar unterhält er Freundschaften zu anderen Suchenden, doch über die eigenen Fortschritte schweigt jeder. Gleichzeitig lebt er in einer geradezu ausweglosen Lage: Er geht auf eine öffentliche Schule in OASIS, kann seinen Avatar dadurch nicht aufleveln und verfügt weder im virtuellen noch im realen Leben über irgendwelche Geldreserven. Letztlich sind seine Chancen auf Erfolg unwahrscheinlich gering. Clines Geschichte dreht sich darum, wie jemand, der nichts hat, dennoch in der Lage ist, Hollidays Rätsel zu lösen. Dies gelingt ihm ausgesprochen gut. Denn während die Charaktere alle (gut bzw. böse) funktional sind, ist „Ready Player One“ eine Aufsteigergeschichte. Mit unbeugsamen Willen und viel Intelligenz gelingt es Wade und seinen Freunden, die verschiedensten Hürden zu nehmen. Dabei werden ihnen mächtige Steine in den Weg gelegt (was für einige harte Schockmomente sorgt) und das gegenseitige Misstrauen verbaut weitere Pfade. Dennoch gelingt es ihnen am Ende gegen alle Widerstände die verschiedenen digitalen Hürden zu meistern. Dadurch kann sich der Leser einfach mit den Protagonisten identifizieren und fiebert – unterstützt durch das hohe Erzähltempo – mit.

Handlungstreibend wird schnell der Konflikt zwischen den einzelnen Gunters und einem mächtigen Konzern, der das OASIS profitabler ausnutzen möchte. Der Konzern erscheint durch Wades soziale Position in einem noch dunkleren Licht: Würden die Pläne IOIs umgesetzt werden, hätte Menschen wie Wade keinen Zugriff mehr auf das OASIS. Die bereits existierenden Ungerechtigkeiten würden noch verschärft. Der Roman wirkt dadurch wie eine Rückschau auf die – auch literarisch viel diskutierten – enttäuschten Hoffnungen aus der Frühzeit des Internets. Der hier geschaffene Freiraum ist alles andere als sicher. Akteuere aus der „realen“ Welt können jederzeit die erreichte Freiheit wieder einschränken bzw. kapitalisieren. Diese Botschaft wird durch zwei Abschlussbotschaften des Romans verstärkt: Um ein Rätsel wie das von Holliday zu lösen, reicht es nicht als Einzelgänger unterwegs zu sein, man muss sich zusammenschließen. Und: Trotz all der digitalen Möglichkeiten kann wahres Glück nur in der echten Welt erworben werden. Was zunächst wie ein Widerspruch zu der Gamerkultur erscheint, vermittelt eigentlich, dass digitales Glück allein nicht ausreicht. Nur wenn man ob des digitalen Engagements nicht vergisst, in der realen verwurzelt zu sein, ist man vor den bösen Überraschungen zu mächtiger, unregulierter Konzerne gefeit. Angesichts immer mächtiger werdender Internetunternehmen, mit direkten Auswirkungen auf westliche Demokratien, ist dies nicht nur ein wichtiger Hinweis für das Privatleben.

Die einzige Schwäche des Romans ist, dass er es sich an einigen Stellen etwas zu leicht macht. An einigen Stellen erscheint es unwahrscheinlich, dass Aufgaben einfach so auf den ersten Anlauf gelöst werden können. An anderen Momenten wirkt ein überraschend auftauchender Retter etwas deplatziert. Dennoch fügen sich diese Momente natürlich in das Videospielthema ein, in denen es immer wieder „Shortcut“-Möglichkeiten gibt. Außerdem nutzt Cline diese Shortcuts, um zu zeigen, dass Geld nicht automatisch korrumpiert: Denn einige der plötzlichen Retter sind gleichfalls Millionäre und wollen die Machenschaften des IOI-Konzerns dennoch verhindern.

Die Mischung aus düsterer Zukunftsvision und facettenreicher virtueller Welt nutzt Cline, um die Aufstiegsgeschichte eines sozialen Außenseiters zu erzählen: „Ready Player One“ ist eine Variante der Tellerwäscher-Erzählung, in der es gilt, Widerstand gegen die geballte Macht des Geldes zu organisieren. Das ist trotz einiger „Shortcuts“ temporeich, spannend und faszinierend; die gleichzeitig detailliert-ausufernd ist und steuert angesichts der klaren Levelstruktur eindeutig-strukturiert auf einen Höhepunkt zu. Diesem Mix kann man so schwer entkommen wie einem packenden Videospiel.

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