Among others (von Jo Walton)

Morwenna Phelbs überlebt im Jahr 1979 einen magischen Kampf mit ihrer Mutter nur knapp. Als sie und ihre Zwillingsschwester herausfanden, dass ihre Mutter eine dunkle Hexe ist, stellten sie sie.  Morganna, Morwennas Schwester, überlebt den Kampf nicht, Morwenna besiegt ihre Mutter nur mit schweren Verletzungen. In der Folge wird sie von Wales zu ihrem ihr unbekannten Vater nach England gebracht. Dessen drei Schwestern überzeugen ihren Vater, Morwenna auf das Internat Arlinghost zu schicken. Während die Feen der Gegend Morwenna gegenüber andeuten, dass sich ein weiterer Sturm zusammenbraut, hat die 16-jährige Morwenna Schwierigkeiten, sich mit ihren englischen Mitschülerinnen zu arrangieren. Halt geben ihr vor allem Science Fiction und Fantasy Romane, die sie – wie ihr Vater – verschlingt.

Der Buchrücken deutet an, dass es in dieser Geschichte um Morwenna Kampf gegen ihre Mutter geht. Diese Auseinandersetzung ist jedoch kaum der Rede wert. Stattdessen geht es in den immer kurz gehaltenen Tagebucheinträgen in „Among Others“ vor allem um drei Dinge, die Walton aus der Sicht der jungen Morwenna beschreibt. Erstens muss sich Morwenna mit dem Verlust ihrer Schwester und ihrer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit durch den Kampf arrangieren. Für den Leser bedeutet das zudem, Morwennas schwieriges Verhältnis zu Magie zu verstehen. Zweitens sieht sie sich einer englischen Gesellschaft gegenübergestellt, die sie nicht versteht. Und drittens ist der Roman eine Hommage an die großen Science Fiction und Fantasy Autoren der Nachkriegszeit. Dabei spart Walton nicht mit Lob für die Institutionen der Szene von den großen und kleinen Conventions bis hin zum Hugo Award. Es ist daher vielleicht kein Wunder, dass gerade diese Institutionen, den Roman mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft haben.

Die eigentliche Handlung schreitet jedoch sehr langsam voran. Der Blick einer 16-jährigen ist sehr gut getroffen. Morwenna ist verunsichert, fühlt sich in Arlinghost und bei ihrem Vater und seinen drei zurückhaltenden Schwestern ausgesprochen fremd. Ihr täglicher Kampf um Verständnis, sowohl von ihren Mitmenschen als auch für diese, ist sehr gut dargestellt. Am Überzeugendsten ist dabei jedoch ihr Verhältnis zur Magie. Morwenna fehlt an vielen Stellen das Selbstbewusstsein, häufig nimmt sie erst einmal an, dass Menschen ihr ablehnend gegenüber stehen. Der Leser merkt daher an vielen Stellen, dass Morwennas Einschätzung der Situation nicht der Realität entspricht. Die Magie in „Among Others“ funktioniert sehr umständlich. Morwenna erfährt viel über magische Vorgänge durch ihre Gespräche mit Feen. Diese Feen können nur von den Menschen gesehen werden, die an sie glauben. Gleichzeitig ist Magie nicht gerade linear. Wenn Morwenna sich wünscht, dass etwas passiert, so bringt sie das in der Regel in Kontakt mit Vorgängen, die bereits vor dem Zauberspruch eingesetzt haben. Ein Beispiel: In einem besonders einsamen Moment wünscht sich Morwenna mit einem Zauberspruch Seelenverwandte herbei. Am nächsten Tag erfährt sie über einen Science Fiction und Fantasy Lesekreis in der Stadtbibliothek – der jedoch bereits seit einigen Monaten existiert. Insofern kann man Morwennas Magie immer als sich selbst erfüllende Prophezeiungen abtun und die Taten ihrer Mutter (die man immer nur aus Erzählungen erfährt) als eine ganz gewöhnliche, mentale Krankheit. Walton gelingt dadurch das Kunststück, dass Magie auf der einen Seite als kindliche Phantasie abgetan werden kann, auf der anderen Seite aber als ernsthafte Möglichkeit ist. Walton bringt zum Beispiel moderne Industrieruinen mit Magie in Verbindung und erschafft somit eine magische Welt, die durchaus unbemerkt in unserer Zeit existieren könnte. Der Roman erzeugt am Meisten Spannung und Faszination durch diese doppeldeutige Magiehandlung.

Genau so interessant ist in diesem Zusammenhang, Morwennas Verhältnis zur Magie. Sie ist davon überzeugt, ihre Umgebung beeinflussen zu können. Um nicht so zu enden wie ihre Mutter, verspricht sie sich selbst, Magie niemals zum eigenen Vorteil einzusetzen (mit Ausnahme des oben beschriebenen Beispiels). Sie ist daher immer unsicher, ob die Menschen um sie herum, sie tatsächlich mögen oder ob sie von ihrem Wunsch nach Seelenverwandten beeinflusst sind und dementsprechend gar keine andere Wahl haben, als sich mit ihr abzugeben. Diese Überlegungen über die Verantwortungslast von Macht sind sehr überzeugend.

Darüber hinaus ist der „Coming of Age“-Teil des Romans, in dem sich Morwenna mit ihrem Internat arrangiert, über ihre Liebe zur Literatur weitere, geekige Freunde findet und zudem das Verhältnis zu ihrem Vater ausbessert, angenehm zu lesen. Merkwürdigerweise sind es an diesen Stellen ausgerechnet die ständigen Verweise auf Science Fiction Bücher, die den Roman etwas schwerfällig wirken lassen. Diese Popkultur ist notwendig, um Morwennas Freundeskreis aus dem Science Fiction Lesekreis einzuführen. Gleichzeitig ist der Roman teilweise etwas überladen davon, weite Abschnitte haben kaum Ereignisse bis auf kurze Diskussionen der jüngst gelesenen Bücher. Hier hätten mehr Ereignisse hinsichtlich der Magie, Morwennas Verantwortung damit oder auch einfach nur ihres Umfelds der Handlung gut getan.

„Among Others“ ist ein inhaltlich reicher Roman. Walton präsentiert eine faszinierende Version der späten 70er-Jahre, in denen die Science Fiction Literatur groß und lebendig ist und Magie durchaus existieren könnte. Morwennas Blick auf ihre Umwelt ist faszinierend und ihre Gedanken weitestgehend interessant. Die anfänglich angenehmen Hommagen an Waltons Helden (und Kollegen) nutzt sich mit der Zeit jedoch etwas ab. Angesichts eines dramatischen, spannenden aber überraschend kurzen Finales hätte eine andere Gewichtung der verschiedenen Romanelemente der Erzählung gut getan.

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