Fire and Fury (von Michael Wolff)

In den Wochen seit der Veröffentlichung des Enthüllungsbuches „Fire and Fury“ hat es mehrere Schlagzeilen gemacht. Die ersten Tage nach dem Erscheinen waren von Sensationsmeldungen geprägt: Trumps einstiger Chefberater hält einige Taten eine Trumpsohns für Verrat, Trump selbst ist so paranoid, dass er hauptsächlich Mc Donalds Burger ist und außerdem verbringt er seine Zeit ab 18:30 mit drei Fernsehern in seinen Privatgemächern. Das Buch selbst besteht jedoch keineswegs aus hektisch aufgelisteten Enthüllungen: Stattdessen ist es eine detaillierte Version darüber, was in dem ersten Jahr der Trump-Regierung im Weißen Haus vorgegangen sein könnte.

Denn der Autor Michael Wolff stellt im Vorwort richtig fest, dass die Interviews auf die er sein Werk baut, nie alle Vorgänge enthüllen können. Außerdem sind die Aussagen im Buch selbst nicht belegt, es ist also nicht möglich einzelne Vorgänge bestimmten Informanten zuzuordnen. Stattdessen muss man hier Wolffs Einleitung trauen, in der er beschreibt, wie er sich einen Zugang zum Weißen Haus erarbeitet hat.

Was kann man nun aus einem Buch mitnehmen, dessen Ausführungen nicht gänzlich gesichert sind? Aus Wolffs Schilderungen gehen vier größere Deutungen hervor. Erstens hält Wolff den Präsidenten im Grunde für unfähig. Trump ist in dieser Erzählung ein großes Ego, das nicht in der Lage ist, sich für länger als einige Minuten auf ein Thema zu konzentrieren. Der Präsident hat keine Ahnung, in welche Richtung seine Präsidentschaft gehen soll. Da er aber auch nicht die Kapazität dazu hat, ein Thema länger zu verfolgen, ist es für seine Berater zudem unmöglich, ihn zu steuern. Denn kaum hat man ihn von einer Idee überzeugt, wartet bereits der nächste Höfling, um die Idee durch eine andere zu ersetzen. Somit steht hinter Trumps Aktionen kein Masterplan, sondern schlicht die totale Unberechenbarkeit durch unglaubliche Sprunghaftigkeit.

Zweitens ähnelt das Weiße Haus des ersten Trump-Jahres einem feudalen Hof. Hier streiten drei Fraktionen miteinander. Im klassischen Zentrum steht der moderate Flügel der Republikaner, vertreten von Chief of Staff Priebus. Die radikale Rechte wird von Steve Bannon personifiziert. Dazwischen tanzen Trumps Tochter und sein Schwiegersohn Kushner mit ihren eigenen Zielen. Im Laufe des Jahres verfehlen alle Fraktionen ihr Ziel, die Politik des Präsidenten zu beeinflussen. Bannon scheitert an seinem eigenen Geltungsdrang, Priebus an der schlechten Presse und Kushner letztlich an seinem ungeschickten Agieren in der Russlandaffäre. Mit dem derzeitigen Chief of Staff Kelly könnte erst einmal Ruhe ins Weiße Haus einkehren: Doch zumindest die Ivanka-Jared-Fraktion hat weiterhin die Möglichkeit, jede Einflussnahme auf den (Schwieger)Vater zu erschweren.

Die dritte Nachricht ist, dass die Trump-Organisation eigentlich zu simpel für eine Russland-Verschwörung gestrickt ist. Wolff kann sein Entsetzen über die Unfähigkeit des Trump-Teams im Wahlkampf nicht verhehlen: Selbst wenn man meint, russische Informationen seien eine gute Idee, dürfe man diese niemals persönlich, sondern allenfalls an einem neutralen Ort und mit Anwälten als Mittelmänner entgegen nehmen. Die Übergabe im Trump-Tower wiederum sei so naiv, dass es Wolff schwer fällt, hier einen ausgeklügelten Plan zu entdecken.

Zuletzt scheint die Präsidentschaft für Trump in erster Linie eine Strapaze zu sein. Sein Hauptziel ist es – anders als in der Öffentlichkeit kommuniziert – Anerkennung von der Mainstreampresse zu erhalten. Aus diesem Grund platziert der Präsident ein peinliches Interview nach dem anderen und gewährt ausgerechnet New York Times Reportern häufig den engsten Zugang zu ihm. Durch die ständige negative Berichterstattung fühlt sich Trump zutiefst ungerecht behandelt. Kurzum: Der geltungssüchtige Präsident ist zunehmend verärgert darüber, dass die Welt in ihm nicht den Helden erkennt, als den er sich selbst sieht.

Diese Hauptlektionen werden in einer detaillierten Beschreibung der Vorgänge im Weißen Haus unter Trump präsentiert. wenn nur die Hälfte davon stimmt, darf man sich über den Stand der Präsidentschaft Sorgen machen: Entweder Trump ist tatsächlich der unkonzentrierte und im Kern unfähige, dafür aber verärgerte Präsident – dann lebt im nun feudal organisierten Weißen Haus eine tickende Zeitbombe. Oder aber es ist Trump und seinem Team gelungen, ihre wahre Agenda vor Wolff zu verschleiern und ihn mit allerlei Gossip abzuspeisen. In diesem Szenario verfolgt Trump doch eine rechte Agenda des sozialen Kahlschlags und der extremen Rechten. Dieses Täuschungsszenario wäre wohl noch gruseliger als die von Wolff geschilderte Interpretation.

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