Erklär mir Italien! – Wie kann man ein Land lieben, das einen zur Verzweiflung treibt? (von Roberto Saviano & Giovanni di Lorenzo)

„Erklär mir Italien“ ist ein Gesprächsband, in dem Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT, und Roberto Saviano, Autor unter anderem des Mafiaromans Gomorrha, versuchen, die Italienische Seele zu ergründen. Das Buch verspricht, das Land aus verschiedenen Perspektiven, mit persönlichen Erfahrungen im Hintergrund zu betrachten, zu analysieren und dem Leser dadurch einen Zugang zu der italienischen Kultur zu vermitteln.

Das liest sich durchaus kurzweilig. Denn die beiden Autoren führen nur in seltenen Momenten tatsächlich eine beidseitige Gespräch. Stattdessen ist di Lorenzo in der Regel in der fragenden Position, die er häufig mit Kindheitserfahrungen einleitet, die anschließend von Saviano eingeordnet werden. Das Buch ist dadurch eher ein Gespräch mit Saviano als zwischen den beiden Autoren. Dementsprechend ist es jedoch auch keine gemeinsame Suche nach einer Erklärung Italiens. Stattdessen erhält der Leser hier Savianos Sicht auf die italienische Gesellschaft.

Aufgrund seiner kritischen Romane lebt Saviano mittlerweile nicht mehr in Italien und ist zudem auf Personenschutz angewiesen. Dementsprechend dreht sich ein Großteil des Buches um die Mafia. Hier hätte das Buch ein großes Potenzial ausschöpfen können: Anstatt zu versuchen, Italien als Ganzes zu ergründen, hätte man sich „nur“ auf das Phänomen der Mafia konzentrieren müssen. Das schien den Autoren jedoch zu eng und so bietet „Erklär mit Italien!“ letztlich keins von Beidem: Weder bringt es dem Leser die Mafia näher noch Italien.

Denn für einen Überblick über die Mafia ist das Gespräch viel zu oberflächlich. Saviano schildert immer wieder einzelne sehr brutale und bewegende Szenen. Das ist eindringlich und an einigen (oft ausgerechnet nicht die Mafia betreffenden) Stellen – wie zum Beispiel der Erklärung, warum Berlusconi mehrfach in Italien zum Premier gewählt wurde – gelingt es ihm auch Verständnis für das Land zu erzeugen. Gleichzeitig bringt er jedes Thema auf die ein oder andere Weise mit der Mafia in Verbindung. Di Lorenzo fällt darauf wenig mehr ein, als Saviano vor dem italienischen Fatalismus zu warnen, alles mit irgend einer Macht im Hintergrund zu erklären. Das berührt Saviano jedoch wenig, er hangelt sich von Anekdote zu Anekdote. Zurück bleibt ein diffuser Eindruck eines (zu recht) zornigen und fatalistischen Autors. Um dem Leser einen Eindruck über diesen Aspekt der italienischen Gesellschaft zu bieten, hätte das Buch viel strukturierter und systematischer Vorgehen müssen.

Letztlich fehlt dem Gespräch nämlich jede Struktur. Zwar ahnt man in den Kapiteln, worüber di Lorenzo gerne gesprochen hätte, Saviano bringt jedoch jedes Thema in kürzester Zeit auf die Mafia zurück. Dabei werden teilweise durchaus interessante Aspekte angerissen. Doch di Lorenzo hakt merkwürdigerweise nie nach, ordnet Aussagen nur in den seltensten Fällen ein und bringt – wann immer das Gespräch interessant wird – ein neues Thema auf. „Erklär mir Italien!“ bleibt dadurch immer an der Oberfläche, egal wie sehr sich die Autoren mit ihrer Wortwahl auch bemühen, einen tiefgründigen Eindruck zu vermitteln.

Zurück bleiben Momente wie die Antwort auf die Frage, ob die Kirche für die Familien noch eine Rolle spiele: Einen gewissen Einfluss hat die Religion noch auf die Familien, antwortet Saviano. Vor allem für die Gläubigen stehe sie an erster Stelle. Solche weltbewegenden Einblicke sorgen auf der einen Seite dafür, dass sich das Gespräch kurzweilig und flüssig liest. Auf der anderen Seite verliert sich das Gespräch regelmäßig in Plattitüden, Vorurteilen, einem generellen Fokus ausschließlich auf den italienischen Süden und letztlich in ausgesprochener Beliebigkeit. Ein stärkerer thematischer Fokus, der neben dem Verbrechen und der Politik auch der Kultur, dem Alltag und dem Arbeitsleben Italiens Aufmerksamkeit widmet, hätten dem Buch sehr gut getan. Der hier vorliegende Gesprächsband bietet eher den düsteren Blick Savianos auf Italien und ist allenfalls dafür geeignet, oberflächlich aber kurzweilig zu unterhalten und eventuell das Interesse des Leser über einen systematischeren Mafia-Überblick zu wecken.

Add a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert