F.A.Q., Kater Demos & Katapult

Frankfurter Allgemeine Quarterly

f-a-qDie Idee: Die FAZ möchte einen „anspruchsvollen, coolen, eleganten und vordenkenden“ Magazin-Ableger, der in vier Kapiteln vierteljährlich Fragen beantwortet, ein Thema vertieft, Materialien zum Nachdenken anbietet und auf die Zukunft vorbereitet. Durch eine hippe und intelligente Mischung soll eine Zielgruppe angesprochen werden, die „überdurchschnittlich gebildet, beruflich erfolgreich und einkommensstark“ ist.

Die Umsetzung: Das durchaus ambitionierte Ziel mit der unangenehm beworbenen Zielgruppe kommt in einem attraktiven, übersichtlich-unübersichtlichen Layout daher. Man blättert gerne durch dieses Magazin. Die vier Kapitel sind gut voneinander getrennt und mit gelungenen, simplen Überschriften versehen (FAQ, Das Thema, Materialien, Was kommt). Der Inhalt ist jedoch eine maßlose Enttäuschung: Die kurzen Antworten auf die FAQs sind in der Regel belanglos und folgenlos. Von hier kommt allenfalls der Denkanstoß, den ländlichen Raum stärker zu untersuchen. Alle anderen Beiträge bleiben oberflächlich und platt. Ähnlich enttäuschend ist das Thema: „Kampf um das Morgen“ lautet der Titel. Doch dahinter verbirgt sich eine rein deskriptive Geschichte darüber, was die „Internetpioniere“ gerade planen. Ein durchschnittlicher Artikel, der sich mit Utopien aus den 60ern beschäftigt, hätte eine wunderbare Vorlage dazu sein können, was an den derzeitigen Plänen Utopie und was realistisch ist. Andererseits hätte man auch darüber sprechen können, wie die anstehenden Veränderungen unsere Gesellschaft verändern werden, wie es unsere Gesellschaftsstruktur verändern könnte oder gar was unser Leben tatsächlich verbessern wird. Doch das interessiert anscheinend weder die FAQ noch ihre einkommensstarke Zielgruppe. Die Materialien beginnen mit einer Foto- und Textstrecke zur Polyamorie, die so oder so ähnlich auch auf Vice oder Bento zu finden wäre. Die anderen Materialien sind ähnlich nüchtern, einzig ein Artikel Sven Regeners zu Schädlingsbekämpfern ist zumindest unterhaltsam zu lesen. In dem letzten Teil „Was kommt“ geht es dann nur noch um Mode, Auto, Beauty und Reisen. Das ist manchmal nett, meistens langweilig und geht ganz sicher nicht über einen sehr engen Zeithorizont hinaus.

Fazit: Die „Frankfurter Allgemeine Quarterly“ liegt sehr gut in der Hand und sieht wunderschön aus. Ihr Inhalt ist jedoch substanzlos, blendet jede Form gesellschaftlicher bzw. sozialer Fragestellungen aus. Das Magazin spricht daher keineswegs über den „Kampf um das Morgen“, sondern beschreibt oberflächlich, was gerade im Silicon Valley vor sich geht ohne dabei wirklich auf Konflikte und Konsequenzen einzugehen. Das ist enttäuschend und rechtfertigt den vierteljährlichen Kauf nicht.

Kater Demos

Die Idee: Kater Demos möchte ein utopisches Politikmagazin sein. Mit einem optimistischen Blick, werbefrei und tiefgründig setzt es sich pro Ausgabe mit einem Thema auseinander. Dahinter steht die Idee, konstruktiven Journalismus zu produzieren. Das bedeutet, das Themen erklärt und eingeordnet werden. Der Fokus liegt dabei darauf, verschiedene und Lösungsvorschläge zu präsentieren, anstatt entweder nur zu berichten oder zu skandalisieren. Mir liegt die dritte Ausgabe (Winter 2016/17) mit dem Schwerpunktthema „Medien“ vor.

Die Umsetzung: Tatsächlich konzentrieren sich alle Artikel auf das Thema Medien und was sie für eine Gesellschaft bedeuten. In den meisten Artikeln findet man eine angenehme, sachliche Verteidigung journalistischer Werte und Arbeitsweisen. Im Heft sind einige sehr starke Artikel versteckt. Sehr gelungen ist eine Selbstversuch-Serie, in der Autoren verschiedene, zwielichtige Medien (von der Bild Zeitung bis zu Russia Today) eine Woche lang lesen und sich selbst beobachten, in wiefern sich ihre Wahrnehmung dadurch verändert.  Faszinierend ist ein Artikel über ein Pokemon-Experiment, indem auf Twitch 2014 online Spieler einmal das originale Pokemon-Spiel kontrollieren durften. Der Clou: Es gab eine permanente Debatte darüber, ob der meist geklickteste Button umgesetzt werden sollte oder ob alle Klicks zählen. Die Aufarbeitung des Spiels liest sich wie ein Krimi und wirft interessante Fragen über Gesellschaftsformen wie Demokratie und Anarchie auf.

Neben diesen Sternstunden wirken viele Artikel jedoch reichlich bieder. Das hat nicht unbedingt etwas mit der Form des konstruktiven Journalismus zu tun. Die Texte sind für sich stehend informativ, gelungen und umreißen interessante Themen. Aneinandergereiht gibt es jedoch viele Wiederholungen. Motive wie die Verteidigung des Berufsstand „Journalist“, die Gefahren durch digitale Umgangs- und Verbreitungsformen sowie der Verweis auf die Gefahren, die durch die Einschränkung der Pressefreiheit einhergehen, werden mehrfach in ähnlicher Form aufgeworfen. Dadurch entsteht der Gefühl dieselbe Frage in anderen Worten noch einmal nachzugehen. Natürlich ist es das Ziel eines Heftes nur über „Medien“, einen Gegenstand von verschiedenen Seiten zu betrachten. Oft hat man jedoch das Gefühl, dass sich der Blickwinkel nicht ändert. Auch eine Vertiefung findet in den kurzen Artikeln kaum statt. Es bedürfte einer besseren Auslese und vor allem eines stringenteren Aufbaus des Themas, um eine wirklich tiefgründige Auseinandersetzung mit der Rolle der Medien in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Erst dadurch wäre es zum Beispiel möglich, die immer gleiche Einleitung vieler Artikel zu streichen und dadurch mehr Platz für mehr Hintergründe zu schaffen.

Interessant und weitgehend abwesend ist die Frage nach der ökonomischen Dimension des Journalismus. Bei aller Verteidigung journalistischer Arbeitsweisen steht die Frage weiterhin im Raum wie Qualitätsjournalismus und möglicherweise gar konstruktiver Journalismus finanziert werden können. Dies ist auch an Kater Demos selbst zu beobachten. Das Magazin selbst ist dafür, dass es auf Werbung verzichtet und hochwertig gedruckt wird, mit ca. 10€ äußerst günstig. Das ist aber nur möglich, da die Autoren (laut Magazin) ehrenamtlich arbeiten. Wie kann man ein finanziell rentables konstruktives Medienangebot schaffen? Noch drängender ist aber der Effekt auf traditionelle Print-Produkte. Selbst einstige Qualitätsmedien wie z.B. der Spiegel oder die Zeit sind in ihrer Online-Version längst verseichtlicht und bieten in ihr Angebot integrierte Spaß-Angebote wie bento bzw. ze.tt an. Diese Ableger nehmen es mit journalistischen Standards alles andere als genau, sind überaus reißerisch und versuchen sich dadurch einem jungen Publikum anzubiedern anstatt dieses Publikum an journalistische Standards heranzuführen. Da die Artikel alle für sich stehen, bleiben Analysen solcher vernetzten Aspekte (in diesem Fall das Abfärben von Internetstandards auf existierende Medien in Print und Bild) unbeleuchtet.

Zuletzt fallen plumpe Leseratschläge aus der Reaktion etwas negativ auf. Der Vorschlag mehrer Publikationen zu lesen, erscheint ganz besonders merkwürdig. Welcher Leser Kater Demos, eines Nischen-Magazins für dann doch immerhin 10€, wird wohl nicht zumindest zwei bis drei andere Publikationen im Auge behalten?

Fazit: Die dritte Kater Demos Ausgabe sieht sehr gut aus, ist nett zu lesen und ist etwas tiefgründiger als die oben erwähnte F.A.Q.. Die Themenauswahl ist jedoch zu homogen, zu wenig kontrovers und nutzt vor allem die Möglichkeit zur Verbindung verschiedener Diskussionen nicht. Das ist in vielen Fällen monoton und erscheint wie eine verpasste Chance, tatsächlich tiefgründige Hintergründe und Denkimpulse zu produzieren.

Katapult – Magazin für Kartografik und Sozialwissenschaft


Die Idee
: Auch Katapult hat sich der Idee des konstruktiven Journalismus verschrieben. Jeder Artikel greift eine Fragestellung auf, ordnet diese in wissenschaftliche Erkenntnisse ein und bereitet sie graphisch auf. Das Ziel ist, jedes Mal einen Lösungsvorschlag (oder mehrere) aufzuzeigen.

Die Umsetzung: Mir liegt die dritte Ausgabe vor. Die Themenwahl ist enorm vielfältig. Sie reicht von dem Coverthema Erneuerbare Energien über Rassismus und Demokratieentwicklung bis hin zur politischen Situation im Nahen Osten und in Lateinamerika. Trotz der genialen Karten und Graphiken wirkt das Heft erst einmal etwas weniger wertig und „artistisch“ als die beiden oben angesprochenen Produkte. Dafür ist es (a) deutlich günstiger und (b) deutlich besser.

Denn zunächst einmal werden hier komplexe Sachverhalte in kurzen, knappen Artikeln sehr gut dargestellt. Die Texte sind trotz ihres hohen Informationsgehalts sehr lesbar. Auf diese Art vermittelt „Katapult“ durch seine vielfältige Themenauswahl auf engem Raum viele Informationen und bleibt dennoch unterhaltend.

Zweitens bleiben alle Artikel erklärend und einordnend. Sie greifen die Schwächen der diskutierten Ansätze auf, zeigen auf, wo man Dinge anders sehen könnte als sie konventionell dargestellt werden und werden dadurch ausgewogener und konstruktiver als die Kommentarspalten vieler Nachrichtensendungen. Abgerundet wird dies regelmäßige Verweise auf weitere Literatur.

Zuletzt hat das Magazin ein ausgesprochen angenehmes Maß an Selbstironie. Statistiken (immerhin ein Kernelement aller Artikel, wenn auch in graphischer Form aufgearbeitet) werden in einzelnen Schaubildern immer wieder aufs Korn genommen. Dadurch erzieht Katapult seine Leser dazu, die augenscheinlich objektiven Graphiken im Heft immer zu hinterfragen. Das geschieht auch durch die abgedruckten, teilweise äußerst kritischen Kommentare und Reaktionen auf vorherige Hefte.

Fazit: Von den drei hier vorgestellten Produkten ist „Katapult“ am günstigsten und durch seine vielfältige Themenauswahl, gelungenen und für den Umfang äußerst tiefgründigen Artikel sowie das gelungene Maß an Selbstironie und -kritik am Unterhaltsamsten und Spannendsten. Sobald es eine E-Paper Funktion gibt, die es mir ermöglicht, das Produkt auch außerhalb Deutschlands zu erwerben, werde ich Abonnent.

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