Lethe (Star Trek: Discovery)

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Auf dem Weg zu einer Friedensmission wird Sarek von einem vulkanischen Fanatiker stark verletzt. Das Mitglied einer vulkanischen Terroristengruppe drängt darauf, dass die Vulkanier nicht mehr mit den emotionalen Menschen zusammenarbeiten. Der Sternenflotte ist Sareks genaue Position nicht bekannt. Michael Burnham spürt aufgrund ihrer mentalen Verbindung zu ihrem Ziehvater Sarek jedoch, wo sich der Diplomat aufhält. Während die Sternenflotte zögert, einen Einsatz zu befehlen, steht Captain Lorca hinter Burnhams Wunsch, Sarek zu retten. Doch mit einer weiteren unerlaubten Mission zieht er die Aufmerksamkeit Admiral Cornwells auf sich.

„Lethe“ ist ein weiteres grandioses Abenteuer in der Serie „Star Trek: Discovery“. Im Hintergrund tobt der Krieg gegen die Klingonen, in dem die Sternenflotte um das Überleben der Föderation kämpft. „Discovery“ nimmt sich in alter „Star Trek“-Tradition dennoch Zeit, für eine Handlung abseits dieses Konflikts. Diesmal wird der Grund dafür (anders als Lorcas Entführung in der vorherigen Folge) plausibler erklärt. Einigen Vulkaniern geht die Kooperation, die Sarek mit den Menschen anstrebt, zu weit. Sie wehren sich auf terroristische Art dagegen. Das ist zwar unlogisch, aber durchaus auf einer Linie mit dem, was man von den Vulkaniern aus der anderen Prequel-Serie „Star Trek: Enterprise“ kennt. Der Ausgangspunkt der Episode ist damit sehr überzeugend.

Anhand der Rettung Sareks wird Michaels Vergangenheit erstmals seit der Pilotfolge wieder thematisiert. Das ist sehr überzeugend. Es gibt weiterhin unglaubwürdige Momente, so richtig überzeugt die Lichtjahre überbrückende Verschmelzung von Michael und Sareks Katra nämlich noch immer nicht. Aber das Verhältnis zwischen Michael und Sarek, der seine menschliche Ziehtochter unbedingt im Einklang mit vulkanischen Traditionen erziehen wollte, wird hier deutlich klarer und steht im Mittelpunkt der Handlung. Dabei wird ganz nebenbei aufgeklärt, warum Sarek so ausgesprochen verärgert auf Spocks Entscheidung, der Sternenflotte anstatt der vulkanischen Expeditionsflotte beizutreten: Die Flotte zwang Sarek einst zwischen Michael und Spock zu entscheiden – Sarek entschied sich für Spock. Dies ist eine clevere Nebenhandlung, der viel zu dem Auftritt Sareks in der Originalserie beiträgt. Gleichzeitig werden Michaels seitdem existierende Minderwertigkeitsgefühle thematisiert. Michael macht damit den ersten Schritt auf dem Weg zu einer überzeugenden Hauptprotagonistin durch. In dieser Episode darf sie mehr als zuvor Gefühle zeigen, baut ihre Freundschaften zu anderen Crewmitgliedern auf und stellt sich ihrer Vergangenheit. Für die sechste Episode einer „Star Trek“-Serie ist das außerordentlich überzeugend. Angesichts dieser überzeugenden Familienhandlung kann man über die arg phantastischen Aspekte des Katras zwischen Michael und Sarek einfach hinwegsehen.

Die Nebenhandlungen der Folge sind durchwachsen. Ash Tyler, der zusammen mit Lorca aus einem klingonischen Gefängnis gerettet wurde, weiß hier als einfühlsames neues Mitglied der Crew zu überzeugen. Sollte er sich tatsächlich, wie von Teilen der Zuschauerschaft vermutet, als Spion herausstellen, dann hat der hinter der Verkleidung steckende Klingone ein beeindruckendes schauspielerisches Talent. Lorca bekommt in dieser Episode Besuch von Admiral Cornwell. Dabei stellt sich heraus, dass die beiden nicht nur Freunde sind, sondern auch Liebhaber waren beziehungsweise in einigen Momenten noch immer sind. Cornwell war vor ihrer Tätigkeit als Admiral offensichtlich Psychologin. Sie sorgt sich nicht nur um Lorca, sondern entdeckt durch ihre intime Beziehung, dass er in allen psychologischen Evaluierungen gelogen hat. Tatsächlich bestätigen die Ereignisse dieser Folge, dass mit Lorca ein Mann auf dem Kapitänssessel der Discovery setzt der vergangene Trauma nicht verarbeitet hat, psychopathische Tendenzen zeigt und vermutlich nicht für das Kommando eines Raumschiffs geeignet ist. Die Darstellung dieser Erkenntnis ist sehr überzeugend und gelungen. Weniger gelungen ist die Art, wie Admiral Cornwell aus dem Verkehr gezogen wird. Der klingonische Hinterhalt, in den sie mit der Unterstützung Lorcas gerät, ist äußerst vorhersehbar. Alles wirkt wie ein konstruierter Trick der Drehbuchschreiber einen „störenden“ Charakter nach der handlugnsförderernden Erkenntnis für den moment aus der Serie zu schreiben. Leider zeigt sich dabei auch, dass Lorcas Trauma ihn nicht zu dem Mann macht, als der er sich präsentiert. Er ist eben nicht gewillt alles für seine Crew, seine Freunde und die Sternenflotte zu geben und dabei jedes Risiko einzugehen. In erster Linie arbeitet Captain Lorca hier für sich selbst und für seine Position, wird ihm dabei jemand gefährlich, verweist er ruhig auf die Regeln, die ihn daran hindern, zum Beispiel Admiral Cornwell aus den Händen der Klingonen zu befreien. Das ist inkonsistent, mit einer Rettungsaktion hätte er vermutlich seinen Job riskiert, aber konsistent mit seiner vorherigen Verhaltensweise gehandelt. Natürlich sorgt der Rest dieser sonst überzeugenden Nebenhandlung dafür, dass der Charakter Lorca in den kommenden Episoden noch viel Potenzial bietet. Das hier präsentierte Ende dieses Handlungsstrang ist weder dramaturgisch noch erzählerisch wirklich gelungen.

Dieser kleine Aspekt ändert jedoch nichts daran, dass „Lethe“ ansonsten eine temporeiche und handlungsstarke Episode ist. Sie unterhält die gesamte Spielzeit über sehr gut und weiß einmal mehr ein spannendes Abenteuer überzeugend im Kontext des handlungsübergreifenden Erzählbogens zu erzählen. Damit gelingt „Discovery“ nach bereits guten ersten Folgen ein weiterer Qualitätssprung.

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