Three Bodies at Mitanni (von Seth Dickinson)

Shinobu, Anyahera and Thienne fliegen mit einem mit mächtigen Waffen ausgestatteten Raumschiff durch das All. Nacheinander fliegen sie verschiedene Planeten ab, zu denen die Menschheit Siedlungsschiffe entsandt ist. Ihre Aufgabe ist immens: Sollte sich eine Zivilisation in eine Richtung entwickelt haben, die eine existenzielle Gefahr für die übrige Menschheit darstellen, so müssen die drei Raumfahrer den Planeten komplett vernichten. Auf Jotunheim sahen sich die drei unglaublichem Leid ausgesetzt. Dies allein reicht jedoch nicht für die Vernichtung der leidenden Bevölkerung – sehr zum Missfallen von Anyahera. Auf Mitanni sieht die Situation anders aus. Die hiesigen Menschen haben sich brutalen Umweltbedingungen angepasst, indem sie ihr individuelles Bewusstsein, Wünsche und Träume unterdrückt haben. Sie funktionieren als eine Einheit, in der jedes Individuum jederzeit bereit ist, sich altruistisch für die Gesamtheit zu opfern. Die Bewohner Mitannis stehen kurz davor, ihr erstes Siedlungsschiff auf andere Planeten zu entsenden. Durch ihr unterdrücktes Bewusstsein haben sie einen Vorteil gegenüber allen anderen menschlichen Organisationsformen. Eine Debatte entbrennt, ob man die Bewohner Mitannis vernichten muss, um die Bedeutung der Individualität für die Menschheit zu schützen.

Das Setting der Kurzgeschichte Dickinsons ist äußerst interessant und gruselig. In dieser Kurzgeschichte debattieren drei Individuen hitzig über einen möglichen Genozid. Sie wurden von der Erde genau für diese Aufgabe ausgewählt. Es gibt die Skeptikerin (Thienne), die Enthusiastin (Anyahera) und die Mittlerin (Shinobu). Erschreckenderweise wirkt Anyahera in dieser Kurzgeschichte als die Einfühlsamste. Sie leidet mit den Menschen auf Jotunheim, sie fürchtet um das Ausmerzen jeglicher menschlicher Emotion nach dem evolutionären Siegeszug der Mitanni Bewohner. Thienne wiederum ist die rationalste, erklärt ihre Entscheidung wissenschaftlich. Für sie ist Evolution unabdingbar und wenn die Menschheit in einer Form ohne Emotionen besser überleben kann, so ist das wohl natürlich gewollt.

Dadurch entsteht eine sehr interessante Debatte über den Widerspruch von (emotionaler) Freiheit und (kollektiv-erzwungener) Effizienz. Dickinson gelingt es dabei den Leser so an die Hand zu nehmen, dass die diskutierte Option (die Auslöschung eines ganzen Planetens) tatsächlich als akzeptable Lösung erscheint. Mehrfach muss mans ich – mit Hilfe der Protagonisten – daran erinnern, dass es sich hierbei um einen grausamen Genozid handelt. Die Option einer friedlichen Koexistenz der zwei Evolutionsstadien wird zwar angesprochen, doch weist ein Vertreter der Mitanni direkt darauf hin, dass die Mitanni nur so lange friedlich bleiben werden, wie die Kosten eines Krieges höher sind als dessen Nutzen. Diese ernüchternd ehrliche Aussage im Angesichts eines Trios, das in der Lage ist Mitanni in wenigen Sekunden zu vernichten, hinterlässt einen brutalen Eindruck.

Am Ende einigt man sich darauf, den Planeten zu vernichten, aber die Ideen in Form eines mentalen Abdrucks zu der Menschheit zu tragen, zu diskutieren und eventuell einem weiteren Kolonisationsschiff als ideologische Grunddisposition mit auf den Weg zu geben. Wie der Rest der Geschichte überzeugt dieses Ende durch seine Härte. Der Vertreter Mitannis ist von dieser Lösung überzeugt, für ihn ist die Gesellschaft wichtiger als die Milliarde Individuen, die durch diese Entscheidung ihr Leben verlieren. In der dreckigen Entscheidung, die Thienne, Anyahera und Shinobu treffen mussten, scheint dies ein Kompromiss zu sein, der dennoch auf extremer Gewalt beruht. Auf beeindruckende Art zeichnet die Geschichte damit ein Zukunftsbild, indem Genozide nicht nur weiter vorkommen, sondern dazu genutzt werden, die evolutionäre Entwicklung der Menschheit zu kontrollieren. Das ist ein beeindruckendes und schauriges Bild.

Die Kurzgeschichte „Three Bodies at Mitanni“ ist 2015 in dem Magazin „Analog Science Fiction and Fact“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2016“, herausgegeben von Karen Joy Fowler und John Joseph Adam.

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