The Heat of Us: Notes Towards an Oral History (von Sam J. Miller)

Der Tod von Judy Garland sorgt 1969 für Erschütterungen in schwulen Communities. In New York findet am selben Abend eine Feier im Szene-Club Stonewall Inn statt. Die darauf folgende Polizeikontrollen führten zu den Stonewall-Unruhen und den bis heute an diesen Tag erinnernden Christopher Street Day Paraden. Millers Fantasy-Geschichte zeichnet die Ereignisse des Unruheabends aus ungewöhnlicher Perspektive nach. Aufgrund der „fantastischen“ Vorkommnisse, die zu den unerwarteten Unruhen führten sowie Unregelmäßigkeiten in dem offiziellen Polizeibericht, versucht eine einstige Journalistin der New York Times mit einem „Oral History“-Projekt, also mit Interviews von Beteiligten, für Klarheit zu sorgen. Das Projekt fördert tragische aber auch ungewöhnliche Erkenntnisse zu tage.

Millers Kurzgeschichte gelingt es aus den kurzen Meinungsstatements von einigen wenigen (fiktiven) Charakteren ein sehr gelungenes Panorama sowohl des Leidens und der Unterdrückung schwuler amerikanischer Bürger am Ende der 60er Jahre darzustellen als auch die verhärtete Sichtweise der Polizei auf die Schwulenclubs. Dabei vermengt er geschickt reale Ereignisse (wie z.B. der öffentliche Druck, der durch das Veröffentlichen aller durch Razzien aufgegriffener Menschen durch die New York Times entsteht und teilweise zu brutalen Selbstmordversuchen nach der Verhaftung führte) mit fantastischen.

Die Prämisse der Erzählung ist, dass etwas übernatürliches in dem Nachtclub geschehen ist. Denn auch in der Vergangenheit wurden Minderheiten unterdrückt und selten wehrten sie sich so wie die Besucher des Stonewall. Miller erschafft eine mentale Energie, die durch die unbändige Trauer über den Verlust Garlands in Verbindung mit der ständigen Diskriminierung unter starker Repression entsteht. Die Entladung dieser Mentalmasse machte es erst möglich, den Widerstand der Polizei zu brechen und die New Yorker Einheiten erstmalig dazu zu zwingen, sich aus einem Viertel zurückzuziehen.

Natürlich ist dies Millers Fantasie. Lesenswert wird die Kurzgeschichte durch zwei Aspekte. Auf der einen Seite ist die schwierige Situation von homosexuellen an einem Zwilling dargestellt, der vor seinem engsten Freund und Bruder seine Identität nicht enthüllen kann. Dies endet in einer dramatischen Szene im Stonewall auf zwei verschiedenen Seiten. Die Intensität dieser Szene ist trotz des engen Raums, auf dem sie erzählt wird, sehr hoch. Die zweite interessante Komponente ist die Frage, warum gerade an diesem Ort zu dieser Zeit der Widerstand begann, auch wenn andere Menschen deutlich stärkere Repressionen hinnahmen. Die Frage, welche Energie Trauer und Verzweiflung angesichts von Repressionen auslösen können, ist bereits interessant genug. Miller endet seine Kurzgeschichte aber mit einer Reflexion darüber, welche Rolle Freude, die Menschen auch in den widrigsten Situationen erfahren können, bei dem Anstacheln von Widerstand spielt. Millers Ende dazu begleitet den Leser noch eine Weile nach der Lektüre.

Die Kurzgeschichte „The Heat of Us: Notes Towards an Oral History“ ist 2015 in dem Online-Magazin „Uncanny Magazine“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Best American Science Fiction and Fantasy 2016“, herausgegeben von Karen Joy Fowler und John Joseph Adam.

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