Touring with the Alien (von Carolyn Ives Gilman)

Alien landen auf der Erde. Sie setzen ihre Raumschiffe vor viele wichtige Städte ab, kurz danach erwählen sie verschiedene Repräsentanten, mit deren Hilfe sie kommunizieren. Avery erhält von der Regierung den Auftrag, ein Alien und seinen Übersetzer Lionel durch Amerika zu führen. Das Alien möchte dadurch die Menschheit besser kennen lernen. Lionel verhält sich äußerst zurückhaltend. Avery lernt, dass dies an der Verschmelzung seines Bewusstseins mit dem eines Aliens liegt. Und da beginnen bereits die Unterschiede: Die Aliens haben gar kein eigenes Bewusstsein (consciousness), sondern sehen die Welt auf ganz andere Weise. Avery verliebt sich immer mehr in Lionel und vor allem in die Idee eines Lebens ohne eigenes Bewusstsein. Daher leitet sie keine Gegenmaßnahmen ein als Lionel das sterbende Alien, das mit ihnen reiste, in die Erde einlaufen lässt – und damit eine Invasion der Alienzellen einleitet. Avery sieht die Idee, dass alles Leben auf der Erde von den Aliens übernommen wird, längst als wünschenswert an.

Die Stärke der Kurzgeschichte ist die Fremdartigkeit der Aliens und die Art wie Avery sich langsam mit diesen Unterscheiden arrangiert. Das Alien tritt kaum aktiv in Aktion. Stattdessen begleitet Lionel Avery an jedem Zwischenstop und übermittelt die Bilder an das Alien weiter. Er hat dabei große Schwierigkeiten, die von einem Bewusstsein wahrgenommene Welt an das Alien mit seinem anderen Koordinatensystem zu übersetzen. Auch für das Alien ist dies schwierig, aus der Gemeinschaft getrennt und mit den Schwierigkeiten der menschlichen Wahrnehmung konfrontiert, stirbt es langsam. Warum geht man diese Mühen ein, um einen Planeten zu erforschen? Erst das Ende liefert die Aufklärung: Die Aliens haben vor, mit ihren Zellen den Planeten zu übernehmen. Indem das von Lionel begleitete Alien stirbt, dringen seine Zellen in den Boden ein und werden sich über Hunde langsam auf der Erde ausbreiten. Letztlich handelt es sich bei „Touring with the Alien“ also um eine sehr ruhige, geradezu melancholische Invasion.

Die melancholische Stimmung wird durch den Fokus auf Avery geschaffen. Sie hat große Mühen, Lionel und seine fremdartige Herangehensweise zu verstehen. Doch mit jedem Kilometer, den die beiden (bzw. mit dem Alien, die drei) zurücklegen, nähert sie sich ihm an. Und je mehr sie über die Aliens lernt, desto attraktiver findet sie die Idee des abwesenden eigenen Bewusstseins. Gleichzeitig glaubt sie aber auch, dass die Menschheit über Konzepte verfügt, die für die Aliens interessant sind (wie self awareness und Sterblichkeit). Die Kurzgeschichte bringt ihren fehlenden Widerstand gegen die Invasion auch mit dem Tod ihrer Tochter in Verbindung. Und hier schwächelt die Kurzgeschichte ein klein wenig. Averys Hintergrund wirkt etwas überladen und es stellt sich die Frage, warum die Regierung ausgerechnet sie für die Tour angeheuert hat. Dies ist ein kleiner Konstruktionsfehler.

Denn abgesehen davon ist die Idee einer ruhigen, durch die Schwäche einzelner Regierungsmitarbeiterinnen (oder gar die Stärke?) ausgelöste Invasion sehr spannend zu lesen. Das liegt zwar auch daran, dass den Großteil der Geschichte gar nicht klar ist, ob es sich „nur“ um eine Entdeckungsmission handelt. Die Erzählung überlässt es der Fantasie des Lesers, wie die Menschheit wohl auf die tiefgreifenden, anstehenden Veränderungen (oder Bedrohungen?) reagiert. Und damit steht natürlich die Frage im Raum, wie man Averys Verschweigen der Invasion gegenüber der Regierung bewerten kann. Je ob man glaubt, dies leite das Ende der Menschheit ein oder eine interessante Phase des (interstellaren und zellularen) Multikulturalismus, wird die Antwort auf diese Frage unterschiedlich ausfallen.

Die Kurzgeschichte „Touring with the Alien“ von Carolyn Ives Gilman ist 2016 im „Clarkesworld„-Magazine erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Year’s Best Science Fiction (34. Annual Collection)“, herausgegeben von Gardener Dozois.

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