Terminal (von Lavie Tidhal)

Die Regierung bietet Reisen zum Mars an. Der Trip bietet keine Option auf eine Rückkehr, die Reisenden verbringen lange Zeiträume in Einzelkabinen, die zudem ständig von technischen Ausfällen bedroht sind. Dennoch wagen sich viele Bürger auf den gefährlichen Weg zum Terminal auf dem Mars. Die Kurzgeschichte besteht aus kurzen Szenen, die die Entscheidung der Reisenden auf der Erde, die Eröffnung der Reise gegenüber ihren Familien und die störanfällige und unsichere Kommunikation unter ihnen beschreiben.

„Terminal“ entwickelt beim Leser ein ungutes Gefühl. Das liegt natürlich zunächst einmal an den Abschiedsszenen. Hier verlassen Familienväter ihre Liebsten, um einen Neuanfang zu versuchen. Doch diese Melancholie wird durch die knappen Nachrichten zwischen den Kabinen noch übertroffen. Menschen, die für sich auf der Erde wegen Krankheit, Perspektivlosigkeit oder einfach nur Langeweile keine Zukunft mehr sehen, beginnen auf einmal miteinander Kontakte zu knüpfen und sogar sich zu verlieben. Auf dem Mars ist alles möglich, warum sollte das nicht bereits auf der Reise dorthin genau so sein? Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass nicht alle Reisenden den Mars überhaupt lebendig erreichen werden. Technische Ausfälle und zufällige Einschläge kleinster Objekte können die Reise für Einzelpersonen jederzeit jäh beenden. Der Leser steht zwischen den Gefühlen totaler Einsamkeit und hoffnungsfrohem Kennenlernen und muss Stück für Stück die sensiblen Reisesituation für sich rekonstruieren.

Und damit steht die Frage im Raum, was hier eigentlich vorgeht. Ist die Reise zum Mars tatsächlich hauptsächlich ein Abenteuer oder ein Neuanfang? Oder handelt es sich hier, um eine moderne Form des von der Regierung organisierten Selbstmords? Immerhin erlebt man die Ankunft auf dem Mars nur in den Träumen einer Todgeweihten. Oder handelt es sich tatsächlich nur um eine sehr wagemutige Reisegruppe, die hoffte trotz hohen Technikrisikos auf dem Mars anzukommen? In diesem Fall versucht man in den kurz gehaltenen Szenen die Motivation der Reisenden zu ergründen.

„Terminal“ ist durch diese düstere Stimmung und dem ständigen Pendeln zwischen Hoffnung und Ernüchterung bzw. sogar Tod eine emotionale Achterbahnfahrt, die den Leser ergreift, aber an keiner Stelle gehen lässt. Zurück bleiben Fragen, die mit dem Hinterfragen der ganzen Reisegruppe beginnen und bei dem Rätsel, welche Umstände Menschen westlicher Gesellschaften auch heute noch auf solch einen Treck ohne Wiederkehr treiben könnte, endet. Oder man könnte natürlich bei dem Rätsel stehen bleiben, ob hier eine Regierung nicht einfach ihre Bürger mit psychischen Problemen auf angeblich „humane“ Art entsorgt.

Die Kurzgeschichte „Terminal“ von Lavie Tidhal ist 2016 auf „Tor.com“ erschienen. Sie ist außerdem ein Beitrag in der Anthologie „The Year’s Best Science Fiction (34. Annual Collection)“, herausgegeben von Gardener Dozois.

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