Annihilation (von Jeff Vandermeer)
|Area X ist vor etwa 30 Jahren entstanden. Seitdem schickte die Regierung elf Missionen, deren Teilnehmer selten zurückkamen. Die wenigen Rückkehrer, die es gab konnten sich in der Regel an nichts erinnern und verstarben kurz darauf. Die zwölfte Mission besteht aus vier Frauen. Eine Psychologin, eine Biologin, eine Anthropologin und eine Landvermesserin sollen Klarheit darüber schaffen, was sich in Area X verbirgt.
„Annihilation“ ist aus Sicht der namenlosen Biologin erzählt. Die Teilnehmerinnen der Mission kennen die Namen der anderen nicht. Die Chancen, dass irgendjemand von der Mission zurückkehrt, sind gering. Die Anonymität soll dafür sorgen, dass man in jeder Situation in der Lage dazu ist, das Beste zu tun, um selbst zu überleben. Berichte vorheriger Missionen deuten darauf hin, dass sich die Teilnehmer gegenseitig umgebracht haben. Es irritiert daher, dass nicht mehr dafür getan wird, dass die Teilnehmer einander vertrauen. Denn das Misstrauen ist groß: Nicht nur hat jede Vertreterin ihrer Profession Vorurteile gegenüber den anderen, es ist zudem nicht klar, wer über welche Informationen verfügt. Diese merkwürdig Konstellation zu Beginn des Romans ist äußerst interessant.
Vandermeer kitzelt aus diesem Interesse das bestmögliche heraus. Das liegt zunächst einmal daran, dass die Missionsteilnehmerinnen unterschiedliche Informationen haben. Es gibt klare Machtungleichgewichte. Als die Mission bereits an ihrem zweiten Tag auf ein mysteriöses Tunnelgewölbe stößt (das auf die irritierte Biologin wie ein Turm wirkt) stößt die Gruppe gleichzeitig auf ein gefährliches Wesen. Anstatt gemeinsam zu agieren, verstreut sich die Gruppe in Windeseile. Der Hauptteil der Erzählung ist damit ausschließlich auf die Biologin konzentriert.
Der Roman driftet damit rasch und trotz des Science Fiction Settings in eine Mischung aus Mystery (Was hat es mit Area X auf sich?) und Horror (Welche Gefahren lauern dort?) auf sich. Vandermeer gelingen dabei viele schaurige Szenen, die in der Regel – wie könnte es anders sein – in einem verlassenen Leuchtturm spielen. Direkte Antworten gibt es nicht. Stattdessen trifft die Biologin auf ein Archiv aus hunderten von Missionstagebüchern – scheinbar hat die Regierung deutlich mehr Missionen ausgesandt als sie zugab. Die schiere Hoffnungslosigkeit, irgendeine Frage im Area X zu beantworten, übertragt sich auf mächtige Art auf den Leser.
Abgerundet wird dieses irritierende Gefühl aus Schaudern, Staunen und Verzweiflung durch die chronologisch gebrochene Erzählung der Ehe der Biologin. Sie ist in erster Linie im Area X, weil ihr Mann Teilnehmer einer der Missionen war die zurückkam – allerdings ohne Erinnerung und mit mächtig wuchernden Tumoren. Die Ehe war bereits vor der Missionsteilnahme ihres Mannes zerrüttet. Nun sind es jedoch ausgerechnet die Aufzeichnungen ihres Mannes, die die wenigen Anhaltspunkte auf die drängenden Fragen um das Area X zutage fördern. Die große Leistung dieses Handlungsstrang ist es jedoch die Kernprobleme der nie richtig ausgelebten Liebe zwischen der Biologin und ihrem Gatten in einem berührend emotionalen Schluss zuzuspitzen und auf merkwürdige Art postwendend zu lösen.
„Vernichtung“ spielt dem Leser gar nicht erst vor, dass er Antworten auf die Fragen um das mysteriöse Area X erhalten wird. Ob es sich hierbei um ein menschlichen Experimenten, von Aliens oder von ganz anderen Wesen erschaffenes Gebiet handelt, wird nicht restlos aufgeklärt. Die Biologin findet sowohl mysteriöse Wesen, die eigentlich tot sein müssten, als auch Hinweise auf menschliche Gene in nicht-menschlichen Wesen. Alles in allem ist die Stärke dieses Romans eher in der Dualität aus brutaler Nüchternheit und eindringlicher emotionaler Tiefe zwischen den Charakteren und der Faszination für das wilde Area X und dem gleichzeitigen Schrecken vor den ungelüfteten Geheimnissen. Das macht den Roman durchgehend faszinierend, in einigen Abschnitten spannend und trotz ungeklärter Hintergründe des Area X durch die melancholische Liebesgeschichte der Biologin eigentümlich bewegend.