Venus Siegt (von Dietmar Dath)

Die Bevölkerung der Venus arbeitet an einem mutigen politischen Projekt. Erstmals sollen Menschen, Roboter und künstliche Intelligenzen gleichgestellt nebeneinander leben. Alle drei Lebensformen haben ein ähnliches Bewusstsein entwickelt. Lediglich ihre Fähigkeiten unterscheiden sich voneinander. Nachdem die visionäre Vordenkerin dieses Projektes verstorben ist, regiert Leona Christensen die Venus mit harter Hand, um die Erreichung der gemeinsamen Utopie zu erreichen. Der Roman „Venus Siegt“ betrachtet ihre Regentschaft aus der Ich-Perspektive Nikolas Herlanders. Er ist der Sohn von Christensens Stellvertreter Arthur Helander. Gemeinsam arbeitet das Führungsduo daran, das Projekt gegen die Opposition, gegen die unwirtlichen Bedingungen auf der Venus und vor allem gegen die außenpolitische Bedrohung durch den faschistischen Herrscher auf der Erde Arjen Samito durchzusetzen.

Auf der Venus wird der Kommunismus der Zukunft ausprobiert. Die vielen Anlehnungen an das Schicksal des realexistierenden Kommunismus sind in „Venus Siegt“ kaum zu übersehen. Das Projekt einer gleichberechtigten Existenz zwischen Menschen, Robotern und künstlichen Intelligenzen weckt große Hoffnungen, scheitert an den Realitäten. Das wird dem Leser jedoch erst langsam bewusst. Denn der Roman konzentriert sich hauptsächlich auf Nikolas Rolle in dem Prozess.

Nikolas ist aufgrund seines Vaters immer dem Zentrum der Macht auf der Venus nahe. Allerdings ist ihm nicht klar, wie er zu der Regierung steht. Das liegt in erster Linie daran, dass ihm auch nicht wirklich klar ist, was er möchte und wer er eigentlich abgesehen von der Position, die er durch seinen Vater errungen hat, ist. In ihm spürt man einen normalen jugendlichen Freiheitsdrang. Und an diesem Freiheitsdrang erfährt man zum ersten Mal, dass mit dem angeblich so emanzipatorischen Projekt der Venus etwas nicht stimmt.

Denn Nikolas kann – wieder aufgrund seines Vaters – durchaus verschiedene Lebensweisen ausprobieren. Doch entweder entdeckt er dabei systemische Grausamkeiten oder das System holt ihn durch einen Vorwand seines Vaters immer wieder ein. Dem Leser werden dadurch Stück für Stück die düsteren Seiten des Einigungsprojekts enthüllt. Das ist schaurig und endet in einem apokalyptischen Untergangsszenario, das die Erde überraschenderweise jedoch deutlich schlimmer trifft als die Venus. Der Schwerpunkt des Romans bleibt glücklicherweise auf Nikolas Selbstfindung in der verwirrenden Proto-Diktatur der Venus.

Diese Parabel auf die Sowjetunion ist manchmal etwas langatmig, streckenweise überraschend spannend und vor allem aufgrund von Nikolas Sinnsuche durchaus lesenswert. Abgeschlossen wird der Roman in der Ausgabe des Fischer TOR-Verlages mit einer kürzeren Erzählung „Venus lebt“, in der viele Jahre nach dem Untergang der Erde „Lily“ Christensen zurückkehrt, um das Vereinigungsprojekt wieder anzutreiben. Der Leser bleibt im Dunkeln, ob nun endlich die Zeit der Emanzipation gekommen ist oder ob sich das Emanzipationsprojekt wieder in eine starre Ideologie verwandeln wird, in der das Individuum in jedem Moment einem höheren Ziel untergeordnet wird. Sicher ist in der Zukunft wie in der Gegenwart, dass es Kräfte gibt, die dieses Risiko gar nicht erst eingehen möchten. Die Bemühungen, Christensens Ideen einzudämmen bevor sie Schaden anrichten können, machen diesen erweiterten Abschluss nicht nur nachdenklich, sondern durchaus spannend.

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