Der goldene Mann (von Philip K. Dick)

Unter den Menschen tauchen nach einem großen Krieg zunehmend Mutanten auf. Die Regierung handelt umgehend: Um die Menschheit vor der Verdrängung durch besser angepasste Mutanten verdrängt wird, werden alle Menschen mit Mutationen umgehend getötet. Während die Regierung von der Angst vor verbesserten Menschen geleitet ist, sieht die Bevölkerung die Sache deutlich gelassener. Daher braucht es ein dichtes Agentennetzwerk, um die Mutationen überhaupt zu entdecken. Das funktioniert sehr gut, bis ein goldener Mann durch alle Suchparameter schlüpft. Scheinbar handelt es sich hier um die erste Mutation, die etwas in die Zukunft voraussehen kann und für das Militär dadurch ein unlösbares Problem darstellt.

Im Anhang der Kurzgeschichtensammlung, in der ich diese Geschichte gelesen habe, zeigt sich Dick erstaunt darüber, dass Mutanten in den 50ern als etwas genuin Positives gesehen wurden. Mit „Der goldene Mann“ wollte er aufzeigen, dass Mutanten auch eine Bedrohung sein können. In gewisser Weise würden sie, sollten ihre Veranlagungen ihre Überlebenschancen z.B. nach einem Nuklearkrieg stärken, unsere Gattung über kurz oder lang verdrängen. Diese pessimistische Vermutung treibt das US Militär hier voran. Das wird actionreich und spannend inszeniert. Am Ende entkommt der „Goldene Mann“ mit einer doppelten Überlebensstrategie. Auf der einen Seite kann er die Zukunft voraussehen, auf der anderen Seite kann er Emotionen, vor allem Mitleid von Frauen, ausnutzen. Das Militär befürchtet, dass sich nicht nur seine Überlebens- sondern auch seine Vermehrungschancen dadurch sehr steigern. Für die Menschheit sieht es schlecht aus.

Andererseits fragt man sich heutzutage bei der Geschichte, ob die Angst des Militärs angemessen ist. Dick hält sich mit Werturteilen im Text zurück, lässt ausschließlich seine Protagonisten sprechen. Tatsächlich erscheint es übertrieben, eine ganze Kolonie von Frauen zu vernichten, bloß weil sie über eine dritte Brust verfügen. Diese Paranoia vor Veränderungen ist auch heutzutage ein wichtiges Thema. Mittlerweile reagieren die Bevölkerungen westlicher Länder jedoch nicht mehr so gelassen-amüsiert wie von Dick hier dargestellt, sondern sind häufig selbst Antreiber des Widerstands gegen jede Form der Veränderung. Die hier beschriebene Intoleranz, die unfähig ist harmlose Veränderung von gefährlicher Veränderung zu unterscheiden, ist immer noch aktuell.

„Der goldene Mann“ lässt einen daher zweifelnd zurück. Ist es eine Geschichte über ein autokratisches Regierungssystem? Oder ist es eine Warnung vor einem naiven Blick auf Veränderungen? Dicks Nachwort weist auf letzteres hin. Gleichzeitig kann die Kritik an einem (vermeintlich) zu optimistischen Blick auf Mutationen in den 50er-Jahren auch in dem Fazit bestehen, dass jeder Beobachter moderner Gesellschaften ziehen muss: Es ist kompliziert.

„Der Goldene Mann“ (orig. „The Golden Man / The God Who Runs“)  geschrieben 1953, veröffentlicht 1954 im „If“-Magazin ist auf Deutsch unter anderem im Band „Das Vater-Ding“ der Dick-Sammlung „Sämtliche 118 SF-Geschichten in fünf Bänden“ des Haffmans Verlag bei Zweitausendeins erschienen.

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