Ein Käfer im Ameisenhaufen (von Arkadi & Boris Strugatzki)
|Nach seinen Jugendabenteuern arbeitet Maxim Kammerer in der KomKom2, die die Sicherheit der Erde gewährleisten soll. Er erhält den Auftrag, den Progressor Lew Albakin aufzustöbern. Der Befehl ist verwirrend, niemand darf von Maxims Tätigkeit erfahren und außerdem erhält Maxim kaum Informationen über sein Ziel. Stück für Stück bringen Maxims Ermittlungen Bruchteile aus Lews Vergangenheit zutage. Es stellt sich heraus, dass Lews Verbindungen zu außerirdischen Technologien eine größere Gefahr darstellen, als Maxim zu Beginn seiner Untersuchung dachte.
In seinem ersten Auftritt war Maxim ein junger Weltraumreisender aus einer sozialistischen Gesellschaft, der angesichts der Ungleichheit auf einem fremden Planeten mal eben eine kleine Revolution anzettelte. Das war temporeich erzählt, stark verdichtet und immer spannend. „Ein Käfer im Ameisenhaufen“ ist ein futuristischer Kriminal- bzw. Geheimdienstroman, der zumindest nicht dasselbe Tempo wie der Vorgänger aufweist: Die Handlung ist weniger gradlinig, springt zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und her und bewegt sich mit jedem, der mühselig von Maxim organisierten Gespräche nur inkrementell nach vorne.
Auf diese Weise lassen die Strugatzki Brüder bis zum Schluss offen, worin die Bedrohung durch Lew Albakin eigentlich besteht. Maxim bemüht sich intensiv darum, eine Art Profil seines Ziels zu erstellen. Doch Lew grätscht immer wieder dazwischen, mal indem er Maxim direkt kontaktiert, mal indem er bei Bekannten urplötzlich auftaucht. Die Verwirrung ist der Spannungsträger in dieser Ermittlung: Obwohl der Leser nicht weiß, warum es wichtig ist, Lew zu fassen, beginnt er sich doch für die Geschichte zu interessieren. Das ist um so mehr der Fall als Lews Leben in Verbindung mit rätselhaften außerirdischen Artefakten verknüpft wird. In Verbindung mit einer trotz weniger Beschreibungen eindringlich wirkenden zukünftigen Version einer menschlichen Zukunftsgesellschaft, erzeugt dies in vielen Fällen Spannung und immer Interesse an dem Fortgang der Handlung.
Im Finale setzt „Ein Käfer im Ameisenhaufen“ die Paranoia vor äußeren Feinden innerhalb dieser angeblich sozialistischen Gesellschaft brilliant in Szene. Zwar gibt es eine überzeugende und durchaus logische Erklärung, in der Lew Albakin eine Gefahr für die gesamte Menschheit ist. Auf der anderen Seite zeigen die Behörden, allenvoran Maxims Vorgesetzte, alle Zeichen irrationaler Wahnvorstellungen. So bleiben am Ende viele moralische Fragen – Lew wurde seit seiner Geburt aufgrund seiner mit außerirdischen Ereignissen verbundenene Herkunft fremdbestimmt – sowie die Frage, ob die außerirdische Verschwörung tatsächlich existierte oder in erster Linie eine Illusion der Regierung bzw. ihrer Geheimdienste ist.
Das führt nicht nur zu einem kurzen aber höchstspannenden Finale, sondern wirft auch heute noch aktuelle Fragen auf. Obwohl die realsozialistischen Gesellschaften längst nicht mehr existieren, zeigten die vergangenen Jahre doch, dass die Macht westlicher und östlicher Geheimdienste ungebrochen ist. „Ein Käfer im Heuhaufen“ regt auf düster-unterhaltsame Art an, über moralische und prozedurale Fragen der Geheimdienst nachzudenken, und unterhält dabei gleichzeitig in einem faszinierenden futuristischen Setting.