Die Zukunft des Mars (von Georg Klein)

zukunft-des-marsDie gebundene Version der „Zukunft des Mars“ glänzt mit einer hervorragenden Optik. Ein schöne Einband verbirgt ein in ungewöhnlichem aber überzeugendem Orange gestalteten Text. Durch die Gestaltung erweckt der Band Bewunderung für das Medium Buch. Das passt zu der Geschichte: George Klein nimmt den Leser auf eine faszinierende Reise in eine post-apokalyptische Zukunftswelt mit, in der das geschriebene Wort eine ganz besondere Rolle einnimmt.

„Die Zukunft des Mars“ spielt an zwei Orten. Auf der einen Seite erlebt der Leser  den Mars. Hier hat eine Kolonie der Menschheit überlebt, hat aber den Zugriff auf alle Technik verloren, hat ein Matriarchat entwickelt und ist dabei bis auf wenige Ausnahmen in den Analphabetismus zurückgefallen. Nur noch zwei Menschen können die „heiligen“ Schriften von der Erde lesen und versuchen die befremdlichen Eindrücke dieser Erzählungen  zu verstehen. Die Marsianer überleben nur, indem sie dem Planeten und dem rätselhaften Mockmock die wenigen nahrhaften Ressourcen entnehmen, wodurch die gesamte Gesellschaft darauf ausgerichtet ist, Nahrung zu beschaffen. PorrPorr ist hier einer der zwei Lese- und Schreibkundigen Menschen und das ist ein Skandal: Den eigentlich darf nur die Matriarchin über dieses Wissen verfügen. Der Leser erlebt den Mars daher zunächst aus PorrPorrs Beschreibungen, da er sich in einem Brief an die Erdbewohner richtet.

Doch auch die Erde ist durch eine unbekannte Katastrophe auf ein vor-technisches Lebensniveau zurückgefallen. Es gibt nur noch wenige verbliebene menschliche Enklaven, die Katastrophe scheint auf irgendeine Weise in den USA ihren Ausgang genommen zu haben. Luxusprodukte wie Kaffee und Tee können nur noch schwer hergestellt werden und einige wenige Experten versuchen von der Technik zu bewahren, was zu bewahren ist. Die Russischlehrerin Elussa und ihre Tochter Alide verkehren regelmäßig bei dem alten Technikexperten Spirthoffer, der sein Russisch aufbessern möchte. Auch hier ist das gedruckte Wort zentral: Es sind Bücher, die von dem Leben vor der Katastrophe berichten, da technische Geräte schon lange nicht mehr einwandfrei funktionieren.

Beide Lebenswelten sind äußerst rau. Es gibt an jeder Ecke Andeutungen, dass Menschen früh sterben oder gar, wenn sie unheilbare Krankheiten haben, bewusst in den Tod geschickt werden. Darüber wird nie gesprochen, es wird nie direkt erwähnt. Stattdessen flüchten sich vor allem die Marsbewohner angesichts strikter Strafen und Euthanasie in Euphemismen. Auch auf der Erde ist nicht ganz klar, was „nach Amerika gehen“ eigentlich bedeutet: Handelt es sich tatsächlich um eine Reise ins gelobte Land? Die Erzählung wird aus den Augen Porrporrs sowie Alide und Elussas erzählt. Aber im Hintergrund gibt es klare Machtstrukturen im Matriarchat bzw. unter den Warlords auf der Erde, die am Ende der Geschichte langsam in den Vordergrund treten.

Dafür muss der Leser aber erst einmal die fremde Zukunftswelt Kleins begreifen. Da die Erzählung weder chronologisch noch direkt erzählt ist, dauert das sehr lange und die erste Hälfte des Buches ist eigentlich eine lange Einführung in die post-apokalyptische Erde und den Mars. Das liest sich wie eine staunende Entdeckungstour, in der man mit einer fremden Gesellschaft mit merkwürdigen Regeln und seltsamen Ritualen vertraut wird. Dieser Teil ist sehr überzeugend.

In der zweiten Hälfte verschwimmen die beiden Erzählhälften und es kommt zu einer Begegnung zwischen Erd- und Marsbewohnern. Dieser Teil wird noch etwas fantastischer und abstrakter, obwohl er am Ende einen durchaus handfesten Konflikt zwischen Erdbewohnern präsentiert. Die Reise Alide und Elussas zum Mars hingegen übersteigt die Vorstellungskraft und führt zu einem kurzen aber intensiven Austausch zwischen den zwei Welten. Ab hier wechseln die Perspektiven innerhalb der Kapitel ständig und der Lesefluss entsteht vor allem durch das Rätseln über die gerade gewählte Perspektive. Etwas mehr Stringenz wie in der ersten Hälfte hätte dem Roman hier gut getan und für einen größeren Erzählfluss gesorgt. Doch auch hier staunt der Leser über die unbekannten Aspekte der Marsbewohner. Am Ende fragt man sich jedoch was die Charaktere hier gerade erlebt haben und was Fantasie. Der Roman verzichtet darauf, am Abschluss mithilfe einer Wendung der Handlung einen tieferen Sinn zuzuschreiben. Damit lässt er den Raum sich weiterhin auf das Zusammenspiel von Traum und Realität in dieser fiktiven und irritierenden Zukunft einzulassen.

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