The Professor is In (von Karen Kelsky)

the_professor_is_in2-198x300„The Professor is In“ enthält die Beiträge des Onlineblogs eines Beratungsunternehmen für PhD-Absolventen amerikanischer Universitäten, die sich auf dem US-Jobmarkt auf so genannte „tenure Track“ Positionen bewerben, in Buchform. Dabei handelt es sich um Stellen, die nach einer gewissen Zeit und nach dem Bestehen festgelegter Leistungsvereinbarungen in quasi-verbeamtete Positionen umgewandelt werden. Da auch US-Universitäten nicht von Förderkürzungen (vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften) verschont werden und die Nachfrage nach solchen Stellen immer weiter zunimmt, zeichnet Kelsky ein sehr düsteres Bild des Jobmarktes. Außerdem verweist sie darauf, dass die meisten Doktoranden zwar eine ordentliche wissenschaftliche Betreuung erhalten, im Hinblick auf den Arbeitsmarkt aber in der Regel allein gelassen werden.

Kelsky hat ein Interesse daran, solch ein düsteres Bild zu zeichnen: Ihr Unternehmen bietet kommerzielle Beratungen für akademische Bewerber an. Das macht das Buch auf den ersten Blick zu einem langen Werbeblatt für Kelskys Firma. Doch Kelsky geht mit diesem Ansatz sehr offensiv um, erklärt zu Beginn, warum sie ihre (quasi verbeamtete) Stelle hinter sich gelassen hat und in welchen Situationen sie eine Beratung für gerechtfertigt ansieht. Und immerhin: „The Professor is In“ bietet in seinen 63 Kapiteln bereits viele Hilfestellungen und ist aus mehreren Gründen eine sehr lohnenswerte Lektüre für Jungakademiker.

Die größte Stärke des Buches ist, dass es seinen Lesern immer wieder vor Augen führt, dass der akademische Arbeitsmarkt (zumindest in den USA) so funktioniert wie jeder andere Arbeitsmarkt. Viele idealistische Vorstellungen, die junge Absolventen über die akademische Arbeit (und Bewerbungsphasen) haben, sind genau das: idealistisch. Kelsky beschreibt aufgrund ihrer eigenen Erfahrung in vielen Berufungskommissionen nach welchen Kriterien Bewerber unter den oft vielen Hundert Bewerbungen auf eine einzige Stelle ausgesucht werden. Gleichzeitig fügt sie den bekannten Kenntnissen über Lebensläufe und Bewerbungsschreiben an Privatunternehmen ausführliche Beschreibungen akademischer Versionen dieser Bewerbungsstandards hinzu.

Das Buch ist zudem in einem direkten und drängenden Stil gehalten. Dieser scheint genau auf junge Doktoranden zu zielen. Kurz vor oder nach der Abgabe der eigenen Doktorarbeit dürfte ein gewisses Hochgefühl überwiegen, das Kelsky direkt einzuhegen sucht. Mit diesem Stil gelingt es, von der bitteren Erkenntnis, dass sich ein Großteil der akademischen Welt kein Stück für das jüngst geschaffene Werk interessiert bis hin zu der noch bitteren Erkenntnis, dass für die Bewerbung zählt, welche Fördergelder mit zukünftigen Projekten an die neue Fakultät gebracht werden können, eine Reihe unbequemer Wahrheiten zu vermitteln. Außerdem führt der direkte, permanent auf mögliche Schwächen hinweisende Stil dazu, dass man während des Lesens permanent eigene Einstellungen hinterfragt und etwas selbstkritischer über das eigene (Bewerbungs)Denken wird.

Kelsky gelingt das Kunststück trotz dieser direkten Art niemals ins Arrogante oder gar Aggressive abzuschweifen. Stattdessen überwiegt das Gefühl, dass sie tatsächlich mit den tausenden Bewerbern für wenige dutzend Stellen mitleidet und jungen Studenten viel deutlicher machen möchte, welche Risiken der akademische Arbeitsmarkt mit sich bringt. Daher gibt es viele Kapitel, die sich mit Wohlbefinden, möglichen alternativen Karrieren und Budgetmanagement beschäftigen. Doch auch in den „härteren“ Kapiteln über die richtige Zusammenfassung des eigenen (heißgeliebten) Forschungsprojekts wirkt Kelsky trotz ihrer harschen Kritik an den gängigen und viel zu verbreiteten Präsentationsfehlern mitfühlend.

„The Professor is In“ konzentriert sich natürlich auf den amerikanischen Arbeitsmarkt und enthält daher einige Kapitel, die bei europäischen Bewerbungen vielleicht weniger relevant sind. Allerdings wird auch der europäische Arbeitsmarkt immer wettbewerbslastiger und die Arbeits- und Vertragsbedingungen immer schlechter und schwieriger. „The Professor is In“ richtet sich vermeintlich an Absolventen. Eigentlich ist es aber ein gutes Buch für den Anfang des Doktorandenstudiums: Es zeigt eindringlich, worauf man sich mit einer akademischen Karriere einlässt und welche Grundsteine man legen bereits während der Promotion legen muss, um seine anschließenden Erfolgschancen zu erhöhen.

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