Mirror Dance (von Lois McMaster Bujold)

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dt. „Spiegeltanz“

Miles geklonter Bruder Mark verbarg sich zwei Jahre lang. Nun hat er einen Plan gefasst, mit dessen Hilfe er sich Respekt und Autorität verschaffen möchte. Er nimmt die Rolle Admiral Naismiths, Miles Alter Ego, ein und organisiert eine Dendarii Mission, die die verbliebenen Klone auf Jackson’s Whole befreien soll. Die Klone wurden dort „produziert“, um ihren Originalen später für eine „Verjüngungskur“ zur Verfügung zu stehen. Der Klon stirbt dabei. Für Mark, der einst für den Zweck eines Attentates geklont wurde, ist dies eine grausame Vorstellung. Doch die Mission geht – auch aufgrund Marks Unerfahrenheit – gnadenlos schief. In einer von Miles initiierten Rettungsaktion kommt es zur Katastrophe: Zwar können die Klone letztlich gerettet werden, doch Miles wird tödlich verwundet und seine Wiederbelebungskammer verschwindet im Feuergefecht. Nun muss der unerfahrene Mark zwischen den verschiedenen, verärgerten Fraktionen auf Jackson’s Whole navigieren, um irgendwie wieder an Miles Körper zu gelangen. Dabei weiß Mark selbst gar nicht, welche Identität, welche Rolle eigentlich sein wahres Ich ist.

Anders als in den meisten Vorgängern, dreht sich die Handlung von „Mirror Dance“ nicht hauptsächlich um Miles Vorkosigan. Stattdessen handelt es sich um einen Roman, in dem sein in „Brothers in Arms“ aufgetauchter Klonbruder Mark die Hauptrolle spielt. Mark wurde sein Leben lang darauf ausgebildet, Barrayar und vor allem die Vorkosigans zu hassen. Mittlerweile hat er zwar seine Freiheit gewonnen und kann sich ein eigenes Bild des Universums machen, doch ihm fehlen Anerkennung, Erfahrungen und vor allem Liebe.

„Mirror Dance“ beginnt mit einer fatalen und ungemein spannenden Fehlentscheidung, die Marks ohnehin geringes Selbstbewusstsein einen fatalen Schlag versetzt. Der Rest des Romans beschreibt, wie Mark sich Stück für Stück und mit der Hilfe der Vorkosigan-Familie Erfahrungen, Liebe und zum Schluss auch Anerkennung erarbeitet. Ausgerechnet im verkrusteten und konservativen Barrayar erhält Mark die mentale Unterstützung und Ruhe, die es ihm erlaubt, sich selbst zu erforschen. Dieser Teil ist äußerst überzeugend: Der Leser erlebt hautnah mit, wie Mark zunächst von der Freundlichkeit seines Umfeldes verwirrt ist, dann aber Stück für Stück mithilfe dieser Unterstützung über sich selbst hinauswächst. Bujold gelingt diese Beschreibung vor allem durch eine feine Beschreibung Marks Seelenlebens. Sie macht aus Mark keinen perfekten Charakter, wie alle ihre Protagonisten hat auch Mark weiterhin Schwächen. Doch am Ende des Romans, indem Mark fast genau so viel erleiden muss wie sein Tod geglaubter Bruder, ist sich Mark seiner Schwächen bewusst und weiß sie in Stärken zu verwandeln.

Trotz der teilweise gemächlichen Handlung ist „Mirror Dance“ durchgehend sehr spannend. Das liegt zum einen daran, dass das Damoklesschwert des Todes permanent über Miles hängt. Über hundert Seiten ist nicht sicher, ob Miles überhaupt überlebt hat. Anschließend muss sich Miles Stück für Stück sein Gedächtnis zurückerobern, während um ihn herum verschiedene Fraktionen Jackson’s Wholes um die Macht auf dem Planeten kämpfen. Dies ist ein interessanter Kontrast zu Marks Identitätssuche. Beide Aspekte tragen zur Spannung des Romans bei. Zuletzt sorgen die regen Ortswechsel und Handlungswendungen dafür, dass das Erzähltempo hoch bleibt und die Spannung gut aufrecht erhält.

Abgerundet wird dieser sehr gute Roman durch eine intuitive und realistische Darstellung einer fantastischen Gesellschaft. Bujold kann mit Barrayar, Jackson’s Whole der Beta-Kolonie und Cetaganda mittlerweile mit vielen verschiedenen Fraktionen herumspielen. In diesem Roman gelingt es ihr einmal mehr, ein dringendes gesellschaftliches Thema (die Möglichkeiten des Klonens) aufzugreifen und dabei ethische Fragen wie z.B. das Heranzüchten von Organbanken auf spannende Art zu diskutieren. Das rundet die Selbstfindung Marks ab und bettet die Handlung in einen lebendigen Kontext ein.

„Mirror Dance“ ist spannend, geistreich und vor allem im Hinblick auf Marks Lebensweg sehr bewegend. Es ist ein rundum gelungener Roman, der den Leser packt, unterhält und mit einer entbehrungsreichen Selbstfindung noch eine Weile beschäftigt.

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