Gedankensplitter 38/2016

Weniger Populismus in der EU-Politik?: Der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, hat am Freitag einen widersprüchlichen acht Punkte Katalog für eine EU nach dem Brexit-Votum aufgestellt. Darin findet sich unter anderem die Forderung 3, dass sich alle an die Regeln halten müssen: Die Schuldenländer an die Stabilitätskriterien, die Polen an Rechtstaatskriterien. Zwei Dinge sind bemerkenswert scheinheilig an dieser Forderung. Erstens: Weber keilt gegen Polen, nicht aber gegen Ungarn – Premierminister Orbán keilt zwar permanent gegen die Bundeskanzlerin, ist aber mit seiner Partei in der EVP-Fraktion. Wird er deswegen geschont, obwohl es natürlich Ungarn ist, dass Maßnahmen gegen den Rechtstaatsabbau in Polen verhindert? Zweitens: Weber verweist selbst darauf, dass Deutschland in der Vergangenheit Regeln und europäische Lösungen vor allem dann beförderte, wenn es selbst betroffen war – man solle daher weniger populistisch auftreten. Deutschland selbst legt Regeln oft genug flexibel aus. Nach der Forderung nach weniger Populismus folgt also umgehend eine populistische Forderung. Immerhin in einem Punkt hat Weber recht: Die Staats- und Regierungschef müssen Anfangen, Europa Erfolge zu gönnen, denn Europa braucht in vielen Problemfeldern von der Flüchtlingspolitik bis zur Wirtschaftspolitik europäische Lösungen. Wenn diese Lösungen zusätzlich für die EU-Bürger sichtbar sind, könnte dies populistischen EU-Politikern tatsächlich das Leben schwer(er) machen.

 

Christsozialer Populismus: Im Januar 2016 forderte Andreas Scheuer einen Stützpfeiler des Rechtsstaates, die Unschuldsvermutung, für Flüchtlinge außer Kraft zu setzen. An diesem Wochenende zeigt der Generalsekretär, dass er Flüchtlinge generell ablehnt. Man meint, auch die CSU setzt darauf, die in Deutschland angekommenen Flüchtlinge zu integrieren. Weit gefehlt: Scheuer beschreibt integrierte, am religiösen, sportlichen und kulturellen Leben teilnehmende Flüchtlinge als „das Schlimmste“ – da Abschiebungen dadurch schwieriger werden. Die CSU mag hoffen, mit solchen rechtspopulistischen Äußerungen ihren Machterhalt zu sichern. Sie vergiftet aber gleichzeitig das gesellschaftliche Klima, verschiebt den öffentlichen Diskurs ins Rechtsextreme und wird sich – da Integration letztlich Ländersache ist – langfristig entscheiden müssen, ob sie verantwortungsvolle Regierungspartei oder pöbelnde Populistenpartei sein möchte.

 

Traurige Quittung: Die Wahl in Berlin ist eine traurige Quittung. Die Hauptstadt hat viele Probleme und doch hielten es beide Parteien für opportun, den Wahlkampf auf die Flüchtlingsfrage zu reduzieren. Die Union hoffte, sich als Law and Order Partei profilieren zu können; die Sozialdemokraten sahen sich als Verteidiger der offenen Gesellschaft. Die wahren Probleme, vom Schulwesen bis hin zu stockenden Großprojekte, wurden hingegen in regionalen Medien kaum thematisiert. Die Quittung ist ein Wahlergebnis mit nicht weniger als fünf Parteien zwischen 14 und 21 Prozent. Vor allem die AfD, die von 0 auf 14 Prozent kam, hat wieder einmal von der unklaren Botschaft der meisten Wahlkämpfer gesprochen. Denn wenn man Probleme ignoriert und sich stattdessen ohne klare Botschaften und Konzepte bzw. im schlimmsten Fall mit widersprüchlichen Statements auf das Flüchtlingsthema stürzt, dann leistet man dadurch in erster Linie Wahlhilfe für die AfD. Die deutschen Volksparteien müssen für Integrationsmaßnahmen sorgen, sie müssen aber auch wieder andere Probleme vom Bildungssystem bis zu dem Lohnniveau diskutieren. Nur die Entwicklung politischer Alternativen kann populistischen und falschen selbsternannten Alternativen den Wind aus den Segeln nehmen.

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