Gedankensplitter 36/2016

Gute Politikergebnisse – Schlechte Wahlergebnisse: Mecklenburg-Vorpommern hat gewählt, die Große Koalition abgestraft und der AfD ein sehr gutes Ergebnis ermöglicht. Unter der Großen Koalition ist die Arbeitslosigkeit zurückgegangen, die wirtschaftliche Lage wird positiver bewertet, das Land nimmt keine neuen Schulden auf und zudem sind nur wenige Flüchtlinge bis nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen. Trotzdem ist das Ergebnis sowohl für SPD als auch für CDU eine kleine bis mittlere Katastrophe. Können also gute Politikergebnisse nicht mehr vor schlechten Wahlergebnissen retten? Gilt die alte Regel, die wirtschaftliche Situation entscheide Wahlkämpfe nicht mehr? Bei der heutigen Landtagswahl zeigt sich einmal mehr, wie gefährlich es in den vergangenen Jahrzehnten war, sich damit abzufinden, dass weite Teile der Bevölkerung nicht mehr an Wahlen beteiligt haben. Die Wahlbeteiligung stieg um 10 Prozent, ein Großteil der einstigen Nichtwähler entschieden sich für die AfD.¹ Diese Wähler fühlten sich schon bei den letzten Wahlen nicht mehr von den etablierten Parteien vertreten und drückten ihre Unzufriedenheit entweder in Proteststimmen (siehe exemplarisch entweder den rasanten Aufstieg der FDP, der Piraten, der Grünen oder der Linken zu unterschiedlichen Zeiten der schwarz-gelben Regierung 2009 bis 2013) oder in Wahlabstinenz aus. Dass das zu keinem politischen Kurswechsel geführt hat, der sich bemüht Angebote an Unzufriedene zu machen und diese einzubinden, rächt sich nun. Es ist unklar, ob es der AfD immer gelingen wird, Unzufriedene zu mobilisieren – den Grünen, Piraten und Linken gelang dies auf Dauer nicht. CDU und SPD müssen sich in Zeiten regelmäßiger Großer Koalitionen überlegen, wie sie ihre Politik an den Wünschen einer breiteren Basis ausrichten können ohne sich dabei den Versuchungen des Populismus hinzugeben.

Glaubwürdigkeit = gutes Wahlergebnis: Wie in den Wahlen im Frühjahr scheint eine kohärente und glaubwürdige Politik sowie der Ministerpräsidentsbonus einen großen Einfluss auf das Wahlergebnis zu haben. Während die CDU wie bereits in Rheinland-Pfalz zwischen Verteidigung und Kritik am Flüchtlingskurs der Bundesregierung hin- und herschwankte, hielt die SPD Linie und wurde dafür belohnt. Durch ihre Geschlossenheit vermied die SPD desaströse Ergebnisse wie in Sachsen-Anhalt. Auf Dauer kann es nicht gut geht, wenn nur eine Partei ein glaubwürdiges Bild vermittelt. Stattdessen braucht es mehr Landtagswahlkämpfe, in denen die CDU und die SPD mit unterschiedlichen aber realistischen Positionen in den Wahlkampf ziehen können und diesen darauf zuspitzen können. Der CDU fehlt dafür derzeit die Einigkeit über ein konservatives aber christliches und menschliches Konzept für die Integrationsfrage und vor allem der Mut dieses offensiv zu vertreten.² Gleichzeitig engen Große Koalitionen im Bund und vielen Ländern den Spielraum beider Parteien deutlich ein. Aus diesem Grund wäre ein Linksbündnis in Mecklenburg-Vorpommern ein guter Schritt zurück zu normalisierten Landtagswahlkämpfen.

¹ Die SPD konnte ihr Ergebnis in absoluten Stimmen von 240.000 (2011) auf 246.000 (2016) steigern, verlor in Prozenten aber 5%. Auch die von Infratest Dimap erhobene Wählerwanderung macht deutlich, dass die AfD ihre Wähler zwar zum Teil bei der CDU und der SPD gefunden hat, hauptsächlich jedoch bei Nichtwählern und der NPD.

² Hierzu trägt vor allem der völlig destruktive Amoklauf der CSU gegen die immer gemäßigtere Politik der Bundesregierung bei. Es ist zu erwarten, dass der bayerische Flügel der Union die Wahl als Bestätigung sieht und nicht als Quittung für die Selbstdemontage.

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