Das letzte Leben der Tess Kensington (von Andreas Suchanek / Heliosphere 2265 Band 38)

helios38Die Allianz versucht verzweifelt, den Angriff der Ash’Gul’Kon auf das System der Rentalianer abzuwehren. Die hundeartigen Rentalianer stehen unter starkem Druck, die Ash’Gul’Kon haben es mittlerweile bereits auf ihre Heimatwelt geschafft. Gelingt es den Spinnenwesen, die dortige Bevölkerung mit ihrem Geburtsvirus zu infizieren, wird die Ash’Gul’Kon Population innerhalb des Tachyonenschirms bald ausreichen, um die Allianz zu vernichten. Commodore Jayden Cross und seine Offiziere haben derweil den Ort erreicht, an dem Tess Kensington von den Ash’Gul’Kon festgehalten wird. Tess befindet sich in einer Simulation und kann nicht ohne weiteres aufgeweckt werden. Mit ihren Neuralimplantaten können Jayden und Kirby in die Simulation eintreten. Dort müssen sie nicht nur Tess retten, sondern auch das Erwachen des Geistes der Ash’Gul’Kon beobachten.

Die 38. Folge der Serie erzählt einmal mehr eine Handlung mit zwei Fronten. Das führt zu einem hohen Erzählfluss. Das ständige Schalten zwischen dem von der Auslöschung bedrohten System der Rentalianern und der Infiltrierung einer Ash’Gul’Kon-Basis führt zu vielen Ereignissen, einigen spannenden Situationen und insgesamt ordentlicher Unterhaltung.

Suchanek gelingt es dabei vor allem, die Verteidigung der Rentalianer-Heimatwelt überzeugend darzustellen. Obwohl er hier mit Nebenfiguren arbeitet, bangt der Leser rasch mit den Protagonisten mit. Die Ash’Gul’Kon haben sich hier einen besonders perfiden Plan zurecht gelegt. Durch einen gezielten Angriff auf Populationszentren wollen sie die Rentalianer zu einem Flächenbombardement verleiten, um eine Ausbreitung der Ash’Gul’Kon zu verhindern. Gleichzeitig haben sie den Boden dabei so präpariert, dass ein Bombardement automatisch den tödlichen Virus der Ash’Gul’Kon in die gesamte Atmosphäre des Planeten streuen würde. Das Herausfinden dieses grausamen Plans und die Verhinderung sind sehr spannend zu lesen.

Genau so spannend, aber deutlich frustrierender sind die Abenteuer des Commodores auf der Station der Ash’Gul’Kon. Zunächst ist es unverständlich, dass sich Jayden und Kirby einfach so in die Simulation, in der Tess gefangengehalten wird, einhacken können sollen. Immerhin bietet sich ihnen dort ein eindringliches Szenario. Die Ash’Gul’Kon sind eine Abspaltung einer früheren Version der Allianz, die vor Jahrtausenden existierte. Damals fürchtete sich die Mehrheitsbevölkerung vor genetischen Manipulationen. Diejenigen, die sich bereits solchen Manipulationen unterzogen hatten, wurden verfolgt und zur Flucht gedrängt. Dabei kam es zu einem grausamen Massaker, dass den unbändigen Hass der Ash’Gul’Kon erklären könnte. Suchanek erweckt damit Sympathie für den vielleicht größten und grausamsten Gegner der Serie. Diese Folge hätte also dafür sorgen können, dass erstmals seit der Schilderung der Enii-Piraten in Band 23 so etwas wie Graustufen in das Heliosphere-Universum einziehen könnten.

Doch genau diese Errungenschaft wird umgehend wieder kaputt gemacht. Denn der derzeitige Antrieb der Ash’Gul’Kon ist keine gepeinigte Gesellschaft, sondern das Zusammentreffen und Verschmelzen mit einem uralten Virus. Die Ahs’Gul’Kon werden dadurch wieder schlicht böse. Das Virus ist letztlich lediglich die x-te Wendung, die die abstrus komplizierte Ash’Gul’Kon-Geschichte noch ein Stück mystischer und gleichzeitig unrealistischer werden lässt. Wie viele uralte Hinterlassenschaften im Heliosphere 2265 rumliegen bzw. -lagen, dürften die wenigsten Leser aus dem Kopf wissen. Hier dient es einmal mehr als Erklärung, warum auch der angeblich intelligente Geist der Ash’Gul’Kon so egomanisch, selbstverliebt und vor allem dumm-psychopathisch auftritt wie Imperator Sjöberg.

„Das letzte Leben der Tess Kensington“ verspielt damit die Chance, den Konflikt mit den Ash’Gul’Kon auf eine neue, überzeugendere Ebene zu heben. Stattdessen ist es eine umfangreiche Erzählung, die zwar gut unterhält, den Leser aber einmal mehr frustriert zurücklässt: Heliosphere 2265 steht sich zunehmend selbst im Weg. Auf der einen Seite präsentiert die Serie gute Ideen. Gleichzeitig ist sie immer in einem irritierenden Mix aus komplizierter, mystisch überhöhter und von erfundenen, geradezu magischen Hightech- und Zeitreiseelementen gespickten Hintergrundgeschichte und primitivster und eindimensionaler Protagonisten gefangen. In keiner Folge ist dies trotz eigentlich spannendem Handlungsaufbau so deutlich wie in der vorliegenden.

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