Gedankensplitter 31/2016

Die Einmischer: Weltweit sind nationalistische Politiker und Parteien auf dem Vormarsch, die die Stärke und Vorzüge der eigenen Nation betonen und sich vor allem die Einmischung anderer (wie z.B. der EU) streng verbieten. Ob der türkische Präsident Erdogan sich Kommentare zu seinen Einschränkungen der Meinungsfreiheit verbietet oder die polnische Regierung keine Kritik an der Entmachtung ihres Verfassungsgericht hören möchte – in ihrem permanenten Bemühen neue Feinde im Inneren zu schaffen, kommen ihnen rhetorische äußere Feinde und Sündenböcke sehr gelegen. Die Scheinheiligkeit solcher Bewegungen offenbart sich immer dann, wenn sie sich selbst über andere zu Wort melden. So nutzt zum Beispiel die polnische Regierung die vermutliche Beziehungstat in Reutlingen, um sich über die Politik der deutschen Bundesregierung auszulassen. Als Vorwand nutzt man den tragischen Tod einer polnischen Bürgerin, perfider geht es kaum. Ähnlich ist es mit der am heutigen nachmittag stattfindenden pro-Erdogan-Demonstration in Köln. Präsident Erdogan bemängelt eine fehlende Meinungsfreiheit in Deutschland, wenn es kritische Stimmen gibt und seine Minister nicht direkt zu der Demonstration gelassen werden. Man muss sich an dieser Stelle nur einmal Erdogans Reaktion auf die Teilnahme deutscher Spitzenpolitiker an einer Oppositionsdemonstration vorstellen. Da deutsche Politiker ja nicht einmal zu Bundeswehrstellungen in der Türkei vorgelassen werden, ist es unwahrscheinlich, dass sie das Land überhaupt betreten dürften. Diese offensichtliche Doppelmoral kommt in diesen Episoden besonders prägnant zum Tragen, äußerst sich aber auch im Regierungshandeln solcher populistischen Bewegungen. Diese Scheinheiligkeit der Erdogans, Trumps, Putins und Szydolos, die regelmäßig besondere Standards von anderen verlangen, die sie selbst nicht einhalten, stellt alle Schwächen der „politischen Klasse“ in den Schatten.

Hilflose und schizophrene Scharfmacher: Die schrecklichen Anschläge in einem Regionalzug bei Würzburg und Ansbach sind beide ausgerechnet in dem Bundesland geschehen, dass sich am Stärksten für eine Begrenzung der Zuwanderung ausgesprochen hat. Es ist daher kein Wunder, dass CSU-Politiker sich wenig Zeit zum Trauern nehmen oder gar die Hintergründe der Tat in Erfahrung zu bringen und stellen gleich in den Angriffsmodus um. Der Willkommenskultur- und der „Wir schaffen das!“-Mentalität haben sie schon lange eine Absage erteilt, nun möchten sie ihre Meinung der Republik aufdrücken. Dieser Versuch ist legitim. Schizophren wird es aber, wenn Ministerpräsident Seehofer in der Reaktion versucht, den Schwarzen Peter Richtung EU und Berlin zu schieben. Spiegel Online schreibt auf Seehofer Zitaten aufbauend, „die Europäische Union habe die Terroranschläge in den vergangenen Tagen und Wochen „bemerkenswert leise“ begleitet“. Wie kann man gleichzeitig die Kompetenzen der EU in Frage stellen, weitere Kompetenzverschiebungen bekämpfen und ihnen dann die Schuld für solche Unglücke zuschreiben? Wie kann man immer wieder betonen, wie gut Bayerns Sicherheitskonzepte seien (Polizei ist schließlich Landesaufgabe) und dann sich über Berlins Fehler beschweren (wo selbst der Inlandsgeheimdienst nach Ländern sortiert ist)? Solche Vorwürfe sind so billig und peinlich, dass sie vor allem die Hilf- und Konzeptlosigkeit der CSU widerspiegeln. Angesichts gesunkener Flüchtlingszahlen Obergrenzen als Mittel gegen Terrorangriffe vorzuschlagen, unterstreicht diese Ahnungslosigkeit nur noch. Die CSU täte besser, Integrationsbemühungen in ihrem eigenen Bundesland (noch) stärker zu unterstützen und Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen, als die Stimmung in Bayern und der Republik weiter zu vergiften. So könnten weitere Opfer verhindert werden, die bisherige Reaktion instrumentalisiert hingegen die bereits geschehenen Tragödien,

 

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