Gedankensplitter 29/2016

Verpfuschter Putsch: Teile des türkischen Militärs haben in der vergangenen Woche geputscht. Wie man es dreht und wendet, der Putsch ist eine Tragödie: Eine undemokratische (und blutige) militärische Machtübernahme hätte das Land höchstwahrscheinlich destabilisiert und weiter von seiner demokratischen Vorbildfunktion entfernt. Durch ihren gescheiterten Staatsstreich haben die Militärs Staatschef Erdogan aber gleichzeitig die perfekte Vorlage gegeben, noch stärker gegen Opposition und Andersdenkende vorzugehen. Die Demokratie hat dadurch allenfalls einen Pyrrhussieg errungen, können sich jetzt doch angehende Autokraten, die gerichtlich gegen Andersdenkende und vor allem Journalisten vorgehen, sich als Verteidiger der Demokratie brüsten. Die Türkei mag durch diese Konsolidierung Erdogans Regime als stabiler Partner erhalten bleiben, die Freiheit im Lande konnte bei diesem Putsch jedoch nur verlieren.

Terrorreaktionen: Am Nationalfeiertag wurde Frankreich von einer weiteren entsetzlichen Attacke getroffen. Trotz eines seit Monaten bestehenden Ausnahmezustandes kam es zu einem Anschlag mit einem Lastwagen in Nizza. Während das Land über 80 Opfer zu beklagen hat, scheint der republikanische Konsens nicht mehr stark genug zu sein, um das Ereignis nicht unmittelbar politisch auszunutzen. Bereits am Folgetag meldete sich der eigentliche gemäßigte konservative Republikaner Juppé mit scharfen Vorwürfen gegen die Regierung – obwohl Fakten noch gar nicht zur Hand waren. Andere Konservative und Front National Politiker folgten umgehend. Wer auf solch eine billige Art  aus einem Unglück politische Kapital zu machen sucht, braucht sich nicht zu wundern, wenn zur eigenen Rechten der Front National heranwächst. Solch hysterische Stimmen – Juppé verweist darauf, dass Parlamentsempfehlungen vom 12. Juli (2 Tage vor der Tat) nicht umgesetzt wurden (!) – machen ein gesellschaftliches Vorgehen gegen Extremisten schwer bis unmöglich. Derzeit folgen die französischen Konservativen durchgehend den Parolen des Front National und geben wenig Hoffnung darauf, dass sich das Land auf eine von einer angemessenen Balance aus Prävention und Bestrafung getragenen Anti-Terror-Strategie einigen kann.

Politischer Zynismus: In den USA nutzte der Republikaner Newt Gingrich die Ereignisse in Nizza, um sich mit der Forderung alle Muslime, die in einer Befragung die Scharia unterstützen, abzuschieben, zu profilieren. Ein Wahlkampf, allen voran in einem Mehrheitswahlsystem, muss polarisieren. In den USA versucht die Republikanische Partei aber immer stärker Gruppen gegeneinander auszuspielen: Christen gegen Muslime, Weiße gegen Schwarze etc.. Dem gegenüber stehen verzagte Demokraten, die sich nicht sicher sind, wie populär ihre Kandidatin eigentlich ist. Während Barack Obama überraschend verzagt in diesen Momenten wirkt, scheint Clinton die Kraft und das Selbstvertrauen zu mangeln, um sich lautstark als Kandidatin für einGesellschaft zu präsentieren. Während die Töne in diesem Wahlkampf immer schriller werden, bleibt zu hoffen, dass die Gräben im mächtigsten Land der Welt wenigstens nach diesem Wahlkampf wieder geschlossen werden können.

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