Leviathan Wakes (von James S.A. Corey)

leviathan-wakes-james-sa-coreyDie Menschheit hat das Sonnensystem besiedelt. Es gibt Kolonien oder zumindest Raumstationen auf fast allen Planeten. In dem Asteroidengürtel um das Sonnensystem, dem so genannten Belt, gibt es ebenfalls Kolonien, deren Bewohner sich bereits physisch an die extremen Lebensumstände anpassen. Die Menschheit hat ihre Konfliktneigung jedoch nicht überwunden. Zwischen den beiden Großmächten, der Erde und dem Mars, herrschen Spannungen und die in der Peripherie gelegenen Belt-Kolonien fühlen sich von den Ursprungsorten der Menschheit ganz allgemein ausgebeutet. Das Szenario des Romans „Leviathan Wakes“ ist hart und realistisch: Das Überleben im All ist ein einziger Kampf, lebensnotwendige Güter wie z.B. Wasser sind äußerst rar. Außerdem ist es mit der staatlichen Ordnung vor allem in den Belt-Kolonien nicht weit her, weite Souveränitätsaufgaben werden von der jeweils herrschenden Großmacht an private Sicherheitsfirmen vergeben, die für Recht und Ordnung sorgen (sollen). Die Hauptpersonen des Romans sind der Sicherheitsmann Miller auf der Kolonie Ceres und der erste Offizier eines Wasserfrachters James Holden. Holden überlebt durch Zufall den Angriff auf seinen Wasserfrachter – zu dem Zeitpunkt befand er sich gerade auf einer Außenmission. Alles deutet darauf hin, dass marsianische Raumschiffe den Frachter mit Atombomben zerstört haben. Diese Information sendet er an alle menschlichen Kanäle. Damit löst er eine Kettenreaktion aus, die die Menschheit an den Rand des Abgrunds bringen wird. Derweil erhält Miller den Auftrag nach einer jungen Frau zu suchen, die für den Belt-Widerstand gearbeitet hat und von ihren Eltern auf dem Mond vor einem möglichen Krieg gewarnt wird. Millers Detektivarbeit gibt ihm rasch Hinweise auf ein Komplott unvorhergesehener Ausmaße.

„Leviathan Wakes“ ist zuallererst ein atmosphärisch beeindruckender Roman. Dem Autorenduo hinter dem Pseudonym James S.A. Coley gelingt es auf unglaublich intuitiv wirkende Weise, das authentische Bild eines von Menschen besiedelten Sonnensystems zu zeichnen. Der Roman ist weder eine Utopie noch eine Dystopie. Stattdessen ist es eine glaubwürdige Fortschreibung unserer derzeitigen menschlichen Gesellschaft in die Zukunft. Zwar gelang es sowohl der Erde als auch dem Mars, eine einheitliche politische Ordnung zu errichten. Aber beide grenzen sich gegenseitig ab und außerhalb dieser beiden Hegemone gibt es einen vielschichtigen Konflikt, indem die großen Planeten um Ressourcen streiten und die Belt-Bewohner um ihre Unabhängigkeit. Diese komplexe politische Situation wird im Roman auf leichte Art eingeführt. Das liegt vor allem an dem eingängigen Stil der Autoren und den gelungenen Beschreibungen, die dem Leser immer ein unmittelbares Bild der Situation geben, unabhängig davon, ob es sich gerade um einen „genukten“ Wasserfrachter oder eine Astroidenstation mit mehreren Millionen Bewohnern handelt. Das Sonnensystem Coleys ist realistisch, eindringlich und mit simplen Mitteln in seiner ganzen Komplexität beschrieben und damit rundum überzeugend.

Coleys Charaktere stehen dem in nichts nach. Die Handlung konzentriert sich hauptsächlich auf Holden und Miller. Mille ist ein leicht depressiver, ziemlich abgestumpfter Cop, der sein Leben lang für private Sicherheitsdienste gearbeitet hat. Er sieht die Welt ausgesprochen realistisch, was man von Holden nicht behaupten kann. Zwar diente dieser einst in den Streitkräften der Erde, doch geriet er dort rasch in Konflikt mit seinen Vorgesetzten. Den Grund kann man sich leicht vorstellen: Holden ist ein absoluter Idealist. Das löst den Kernkonflikt in dem Roman aus: Denn Holden glaubt daran, dass die Menschheit ein Anrecht auf Transparenz hat. Unfreiwillig verschärft er durch die Informationen, die er immer wieder weitergibt den Konflikt zwischen den verschiedenen Fraktionen der Menschheit. Beide Charaktere bleiben aber nicht das stereotype Bild, das hier gezeichnet wird. Stattdessen entdeckt Miller im Laufe der knapp 600 Seiten seinen Idealismus genau so wie seinen inneren Wahnsinn und vor allem seine Fähigkeit zur Liebe. Dem gegenüber steht bei Holden eine Entwicklung vom idealistischen Schwerenöter zum realistischen Abweger, der Verantwortung für sich und seine Crew übernehmen kann. Flankiert sind diese beiden Charakterreisen von einem gelungenen Ensemble aus Nebendarstellern, die in allen Szenen authentisch wirken und dem Leser im Verlauf der Handlung sehr ans Herz wachsen.

Diese rundum überzeugenden Elemente werden um eine atemberaubende und mitreißende Handlung ergänzt. Der Leser muss sich zusammen mit den Protagonisten in einem Dickicht an Interessen und Intrigen zurecht finden. Jede größere Macht wird mal verdächtigt, hinter den Anschlägen auf den Wasserfrachter und später auf ein marsianisches Kriegsschiff zu stecken. Doch tatsächlich entpuppt sich vieles als Scheinlösung. Coley gelingt es dabei, die ständigen Handlungswechsel und -überraschungen immer logisch erscheinen zu lassen. Außerdem schaffen es die Autoren ab der zweiten Hälfte des Romans Stück für Stück extraterrestische (bzw. Elemente von außerhalb des Sonnensystems) in die Handlung einzubauen. Das verleiht dem Roman nicht nur zu einigen schaurigen und vielen spannenden Szenen, sondern auch zu einem bewegenden Ende von geradezu poetischer Qualität.

„Leviathan Wakes“ ist damit ein rundum gelungenes, beeindruckendes Buch, das mit einem faszinierenden Setting, authentischen und differenzierten Charakteren und einer logischen und gleichzeitig ungemein spannenden Handlung fesselt. Das sorgt für eine mitreißende Lektüre, die zu keinem Zeitpunkt langweilig wird und den Leser immer wieder in Staunen versetzt.

 

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