Das Schwert der Vorsehung (von Andrzej Sapkowski)

SchwertVorsehungDtp„Das Schwert der Vorsehung“ ist der zweite Kurzgeschichtenband um den Hexer Geralt von Riva. Während Der letzte Wunsch dem Leser die fantastische Welt des Hexers und sein Seelenleben näher gebracht hat, konzentriert sich der zweite Band noch stärker auf die Gefühle des angeblich emotionslosen Hexers. In „Die Grenze des Möglichen“ folgt er seiner Liebe, der Zauberin Yennefer, auf Drachenjagd, obwohl sein Ehrenkodex ihm verbietet, Drachen zu töten. In „Eisplitter“ kommt es zu einer Konfrontation mit einem anderen Zauberer um die Liebe Yennefers. In „Das ewige Feuer“ bekommt Geralt es mit Gestaltwandlern zu tun, einem Volk, dass von den Menschen fast bis zur Ausrottung verfolgt wurde und nun versucht in den großen Städten unterzuschlüpfen. In „Ein kleines Opfer“ lernt Geralt nicht nur eine faszinierende Sängerin kennen, sondern erlebt die Grenzen, die das Meer den Menschen setzt. In „Das Schwert der Vorsehung“ und „Etwas mehr“ tritt dann Ciri in den Mittelpunkt, das Kind, dessen Schicksal in einer der Geschichten aus Der letzte Wunsch mit Geralts verbunden ist: Sie kommen zunächst in einer Gefahrensituation mit Waldbewohner zusammen und finden sich nach einer Trennung in Kriegswirren wieder.

Die sechs Kurzgeschichten dieses Bandes können die außergewöhnliche Qualität des Vorgängers halten. Das liegt daran, dass Sapkowski die starken Elemente seiner Fantasiewelt beibehält, ihr weitere Nuancen hinzufügt und gleichzeitig vor allem die Figur Geralts deutlich ausbaut.

Die Welt des Hexers ist fantastisch und faszinierend. Die Menschen haben hier die Erde kolonisiert und dabei die „alten“ Völker immer weiter zurückgetrieben. Elfen, Zwerge und viele andere Fabelwesen und Monster konnten an vielen Orten nur überleben, wenn sie sich assimilierten und mit den Menschen arrangierten. An einige Stellen können sie in Enklaven noch Widerstand lassen, teilweise machen sie als einzelne Wesen Menschen das Leben schwer. Zum Zeitpunkt der Erzählungen ist die Dominanz der Menschheit offensichtlich.   Immer wieder wird in Sapkowskis Kurzgeschichten die Brutalität der Menschheit und gleichzeitig (z.B. bei der Idee auch das Meer kolonisieren zu können) ihre Hybris deutlich, die sie immer wieder durch Kriege oder Übermut an den Rand des eigenen Ruins führt. Diese überraschend deutliche und eindringliche Darstellung der menschlichen Natur, die niemals plumb daher kommt, sondern in positiven und negativen Schattierungen alle Kurzgeschichten durchzieht, ist außerordentlich beeindruckend.

Genau so faszinierend ist die Figur des Hexers Geralt. Hexer werden als kleine Kinder schweren und häufig tödlichen Prüfungen unterzogen, die sie nur mit äußerster Stärke und vielen Mutationen überstehen können. Dabei verlieren sie nicht nur ihre Zeugungsfähigkeit, sondern dem Volksmund nach auch ihre Emotionen. Auch Geralt gibt sich diesem Glauben hin. Der karge Stil der Geschichten reflektiert diese emotionale Kühle. Gleichzeitig verstecken sich Geralts gute, emotionale Eigenschaften hinter einem detaillierten Ehrenkodex, der ihm moralisches Verhalten de facto diktiert. Im Verhältnis zu Yennefer aber auch in der kurzen aber intensiven Begegnung mit der Sängerin Äugchen wird immer deutlich, das Geralt sehr wohl zu Gefühlen in der Lage ist (und mit ihnen auch leiden kann). Sapkowski gelingt es auf beeindruckende Weise die inneren Widersprüche, die inneren Kämpfe Geralts darzustellen, ohne sie jemals direkt anzusprechen. Das macht die Kurzgeschichten zu unmittelbaren und eindringlichen Erfahrungen.

Noch stärker als in Der letzte Wunsch konzentrieren sich die Erzählungen in „Das Schwert der Vorsehung“ auf das Wesentliche. Viele Ereignisse werden implizit oder indirekt erzählt, genau so viel bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Im Mittelpunkt stehen konkrete, spannende und interessante Episoden aus Geralts Leben, die sich erst im Rückblick als stringenter Gesamtepos zusammenfügen. Dies liest sich gleichzeitig leicht und schnell und ist dennoch vielschichtig und vielstimmig. Zuletzt hinterlässt jede Kurzgeschichte einen starken Gefühlseindruck. Denn sie lassen alle auch Geralt mit einer starken Emotion zurück, die sich durch die eindringliche Schreibweise automatisch auf den Leser übertragt (vor allem in „Eissplitter“ und „Ein kleines Opfer“).

„Das Schwert der Vorsehung“ ist ein rundum überzeugender Geschichtenband, der mit einer eindringlichen Abenteuern, einem vielschichtigen Protagonisten und vor allem einer klaren und mitreißenden Sprache überzeugen kann. Das ist spannend, nachdenklich und bewegend zugleich und kann kaum besser gemacht werden.

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