Das brandneue Testament

Gott existiert, lebt in einem Hochhaus in Brüssel und ist sadistisch veranlagt. Er terrorisiert nicht nur seine Frau und seine Tochter Éa, er hält seinen verstorbenen Sohn zudem für ein Weichei und denkt sich regelmäßig Katastrophen und andere kleine Ärgernisse für die Menschen aus. Letzteres bereitet ihm eine riesige Freude. Während er seine Frau zum Schweigen zwingt, beginnt Éa gegen ihn zu rebellieren. Nachdem sie eine Prügelstrafe für etwas Kritik an der Tätigkeit ihres Vaters kassiert, beschließt sie zu rebellieren. Der Geist ihres Bruders rät ihr sechs weitere Apostel auf der Erde zu rekrutieren. Kurzerhand erschleicht sich Éa Zugang zu Gottes PC, verrät allen Menschen ihr Todesdatum und bringt den Computer anschließend zum Absturz. Durch eine Waschmaschine flieht sie aus der Wohnung ohne Außentür und gelangt in die reale Welt. Mithilfe eines Obdachlosen macht sie sich auf die Suche nach ihren sechs Aposteln.

„Das brandneue Testament“ startet als furiose Komödie. Jeder Satz ist ein gelungener Gag, egal ob Gott Éa bittet, nicht zu seiner rechten zu sitzen, dort sei er sensibel oder ob Éa mit Jesus spricht, der hier genial unterhaltsam inszeniert ist. Aber auch bittere Szenen, wie Gottes „Arbeitsweise“ sind sehr unterhaltsam: Jeden Tag stellt er eine Reihe von Regeln auf, normalerweise mit Inhalten wie „wann immer ein Mensch die Badewanne betritt, klingelt das Telefon“. Dieser Start ist sehr gut herausgearbeitet und äußerst überzeugend.

Auch der Rest des Filmes kann noch einige Witze aufweisen. Allerdings rücken hier die Lebensgeschichten der sechs Aposteln in den Mittelpunkt. Auf der Erde gibt es eine Art Rückbesinnung der Menschen, da sich plötzlich alle ihrer eigenen Endlichkeit bewusst sind. Jeder geht damit anders um und Éa trifft sich mit sechs Personen, die größtenteils frühzeitig versterben werden und denen entweder andere oder sie selbst im Leben im Weg standen. Die kurzen Gespräche in Verbindung mit Éas Fähigkeit, in jedem Menschen eine bestimmte Musik zu hören, sind sehr intensiv. Jeder der Apostel identifiziert sein Unglück in der Regel eigenständig und eine Lösung ist nie offensichtlich. Dennoch gelingt es Éa mit wenigen Aktionen das Leben dieser Menschen zu verbessern. Das ist häufig eher bewegend als komisch. Selbst Witze wie Éas Verwunderung darüber, was die Menschen mit dem Paradies (also der Erde) gemacht hätten, haben hier einen eher nachdenklichen Charakter

Für Slapstickelemente sorgt hier nur noch Gott, der ebenfalls seine Wohnung verlässt, um seine Tochter einzufangen. Auf der Erde und ohne seinen Computer hat er jedoch gar keine Macht, wird regelmäßig aufgrund seiner aggressiven Art zusammengeschlagen und kann seine Tochter somit auch nicht zu einer Rückkehr zwingen. Dies sorgt immer wieder für Lacher, zumal Gott am Ende sogar aus Belgien abgeschoben wird.

Der Film präsentiert am Ende eine ad-hoc Auflösung. Ziel der sechs Apostel war, der Muttergöttin 18 Apostel zu präsentieren. 18 Spieler sind auf einem Baseballfeld, ihrer Lieblingssportart. Das gibt der Muttergöttin den Impuls die Arbeit ihres Gatten selbst in die Hand zu nehmen. Dieses Ende ist zwar durchaus gut vorbereitet (Jesus deutet es bereits in seinem ersten Auftritt an), doch mag der zuvor ausschließlich dümmlich gespielte Charakter der Muttergöttin nicht wirklich überzeugen. Die Verwandlung läuft hier schlicht zu schnell ab.

„Das brandneue Testament“ ist dadurch ein Film mit einem ad-hoc Ende und einigen Längen in den (durchaus ergreifenden) Interviews der Apostel. Abgesehen davon ist es jedoch ein äußerst komischer, skurriler und häufig überraschend nachdenklicher Film. Das ist insgesamt sehr unterhaltsam und sehenswert.

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