Macht und Widerstand (von Ilija Trojanow)

Cover-Trojanow-Macht-2-Bulgarien nach der Wende: Während der einstige Dissident Konstantin Scheitanow gegen die Windmühlen der post-kommunistischen Bürokratie anläuft,um seine Geheimdienstakten einsehen zu können, hat sich sein einstiger Folterer Metodi Popow vom Geheimdienstschergen zum erfolgreichen Geschäftsmann in Ruhm und Ehre gewandelt. Scheitanow ist besessen davon die Schuldigen hinter den an ihm verübten Verbrechen zu finden. Popow wiederum holt in der Nachwendezeit auf ganz unerwartete Weise seine Vergangenheit in Form einer unehelichen, in einer Vergewaltigung entstandenen Tochter ein.

In diesem dokumentarischen Roman zeigt Trojanow auf, wie wenig Mittel die bulgarische Rechtssprechung Regimeopfern gibt und welche Netzwerke alt-Kader noch immer schützen. Literarisch baut er auf die Feindschaft zwischen Scheitanow und Popow. Einst, kurz vor dem Ende des zweiten Weltkrieges, rettete Scheitanows Vater als Arzt das Leben von Popows Vater, auf eine Bezahlung verzichtete er. Popow war dennoch nicht nur in der Bespitzelung Scheitanows, sondern auch an seiner Verhaftung beteiligt. In jugendlichem Revolutionseifer verübte Scheitanow mit Freunden einen Anschlag auf ein Stalin-Denkmal. Es folgten statt der erwarteten Todesstrafe viele Jahre in bulgarischen Gefängnissen. Doch auch nach seiner Freilassung ließen die Autoritäten Scheitanow nie aus den Augen: Er wurde abgehört, wieder verfolgt und letztlich nach der Wende so schnell es geht mit einer symbolischen Summe abgefunden und anschließend von Archiven abgewiesen.

Es erscheint daher zunächst verständlich, dass Scheitanow, der sich noch immer ungerecht behandelt fühlt, sich durch Archive wühlt, um Indizien und Beweise für Schuldige an seinem Leiden zu finden. Rasch wird jedoch deutlich, dass sein Arbeiten etwas besessenes hat. Aus Popows Sicht erfährt man wiederum, wie die Diktaturseite ihre eigenen Taten auf brutale und zynische Weise rechtfertigt. Was Scheitanow nicht gelingt, schafft allerdings eine junge Frau: Die uneheliche Tochter Scheitanows wählt nicht den Weg der Justiz, in regelmäßigen Treffen gelingt es ihr, den kinderlosen Popow erst emotional an sich zu binden und anschließend auf brutale Art abzuweisen. Popows letzte Lebensjahre sind dadurch keine angenehmen, während Scheitanow, der sein Leben lang nichts außer seine moralischen Standards besessen hat, den Roman erhobenen Hauptes durchschreiten kann.

Der Roman schildert damit eindringlich die Brutalität eines kommunistisch-bürokratischen Regimes und die Art, wie es mit unbeugsamen Widerstand umgeht. Der Fokus liegt klar auf den sich fortsetzenden Ungerechtigkeiten in der Nachwendezeit. Gegen die mächtigen Kadernetzwerke, das macht der Roman ganz deutlich, haben einzelne Opfer keine Chance. Durch ihre unterschiedlichen Interessen haben sie zudem keine Chance sich effektiv zu organisieren. Am Beispiel Popows zeigt Trojanow nicht nur die zynische Denkweise und Doppelstandards der Regimeprofiteure, er zeigt auch dass Widerstand zuletzt Erfolg haben kann. Auch wenn Popow das angenehmere Leben gehabt haben mag, seinen Ruf – und das ist letztlich das einzige, was ihm geblieben, was er sich im Leben erarbeitet hat – kann er aufgrund der emsigen Arbeit Scheitanows und seiner Tochter nicht retten.

Die Erzählung tritt in „Macht und Widerstand“ klar hinter das Dokumentarische zurück. Dank Recherchen vor Ort und dem Einbauen tatsächlicher Geheimdienstdokumente in die Handlung kann der Roman dennoch eine fesselnde und erschreckende Wirkung entfalten. Der Buchdeckel verspricht, dass der Roman „ein breites zeitgeschichtliches Panorama von exemplarischer Gültigkeit“ entfaltet. Die Darstellung ungebrochenen Widerstandes gegen ein brutales Regime mit lauter zynischen und scheinheiligen Vollstreckern überzeugt trotz eines dünnen Handlungsstrang durch dokumentarische Dichte und kann damit das Versprechen einlösen.

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